piwik no script img

Archiv-Artikel

Filz soll länger warten

Die Grünen fordern bessere Kontrolle der Landesunternehmen und Schamfristen bei Wechseln vom Senat in Vorstände. PDS: „Ganz in unserem Sinne.“ Koalitionspartner SPD mag so weit nicht gehen

von STEFAN ALBERTI

Der Ruf nach Entfilzung und besserer Kontrolle der Landesunternehmen wird immer lauter. Die Grünen-Fraktion legte gestern nach vorangegangenen Anträgen von CDU und FDP die bisher weitreichendsten Vorschläge dazu vor. Ein Kodex soll unter anderem klare Ziele für die Unternehmen festlegen und direkte Wechsel aus Senat und Verwaltungsspitze in Vorstände verbieten. Ein neues Bankdesaster oder ein weiterer Fall Bielka – der SPD-Staatssekretär wird Chef der zuvor von ihm beaufsichtigten Wohnungsbaufirma Degewo – sollen unmöglich werden. Die Regierungskoalition reagierte unterschiedlich: Zustimmung bei der PDS, Skepsis bei der SPD.

Für die Grünen ist stärkere Kontrolle dringend nötig: „Die landeseigenen Unternehmen sind völlig aus dem Ruder gelaufen und haben sich zu einem Milliardengrab entwickelt.“ Der vorgeschlagene Kodex soll aufnehmen, was für die Privatwirtschaft bereits gilt. Er fasst Regeln zusammen und erweitert sie. Über ein verbessertes Berichtssystem etwa soll das Abgeordnetenhaus halbjährlich klaren Einblick in die größten der fast 300 Landesbeteiligungen bekommen. „Bislang haben wir die Informationen gar nicht oder erst zu spät erhalten“, klagt Grünen-Finanzexperte Jochen Esser.

Für die Vorstände und Geschäftsführer soll zudem gelten: Stimmt die Leistung nicht, gibt es nur ein Grundgehalt, verursachen sie durch mangelnde Sorgfalt Schaden, sollen sie haften. Der Grünen-Antrag sieht auch vor, Höchstgrenzen für Gehälter festzulegen. Für Finanzexperte Esser führt aber kein Weg daran vorbei, sich an den eher hohen Gehältern privater Unternehmen zu orientieren: „Wir kriegen sonst die richtigen Leute nicht.“ Was jeder Chef verdient, soll aber anders als bislang im Geschäftsbericht nachzulesen sein.

Zum Antifilzprogramm gehört, dass Senatoren und leitende Landesmitarbeiter erst drei Jahre nach ihrem jetzigen Job auf Chefsessel der Landesunternehmen wechseln können, Aufsichtsräte gar erst nach fünf Jahren. Das war in der Vergangenheit nicht nur bei Bielka anders. 1999 etwa ging Jürgen Klemann (CDU), als Bausenator ausgeschieden, zur teilprivatisierten Wohnungsgesellschaft Gehag, an der das Land 25 Prozent hielt.

Die Fraktionen von CDU und FDP hatten teils noch weiter gehende Einschränkungen gefordert. Die Union etwa will, dass Parlamentarier nur dann bei einer Landestochter einsteigen können, wenn das Abgeordnetenhaus zustimmt.

Der rechtspolitische Sprecher der PDS-Fraktion, Klaus Lederer, zeigte sich angetan von dem Vorstoß der Grünen: „Das ist durchaus in unserem Sinne, die sind da mit ihrem Antrag nur schneller gewesen.“ Er gehe davon aus, dass „auch der Senat nicht ganz unbeeindruckt von den Diskussionen der vergangenen Wochen geblieben ist.“

Wesentlich skeptischer reagierte die SPD-Fraktion. „Lederer kann nicht für die Koalition sprechen“, sagte ihr parlamentarischer Geschäftsführer Christian Gaebler. Er hält es für verwirrend, bessere Kontrolle der Unternehmen zusammen mit einem Verhaltenskodex zu behandeln. Ein Fall Bielka solle zwar künftig unmöglich sein. Gaebler wandte sich aber dagegen, dass Senatoren auch ohne enge inhaltliche Verknüpfung zum anschließenden Job nicht mehr direkt zu einem Landesunternehmen wechseln können. Das käme einem Berufsverbot gleich. „Ich gehe davon aus, dass das nicht rechtlich haltbar wäre.“

Der Senat wollte bis Ende September eigene Vorstellungen zum Umgang mit den Landesbeteiligungen vorlegen. Das wird sich voraussichtlich verzögern und soll Thema einer Klausurtagung im November sein.