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Archiv-Artikel

„Musiker berufsnah ausbilden“

An der Kölner Musikhochschule gibt es bald zwei neue Studiengänge. Sie sollen den Studierenden neue Berufsmöglichkeiten zeigen. Vor allem wenn sie merken, dass sie keine „Riesenkünstler“ sind

INTERVIEW VOLKER M. LEPRICH

taz: Herr Ullrich, Sie sind seit zwei Semestern Leiter des Jazzstudienganges an der Musikhochschule Köln. Haben Sie viel zu tun?

Joachim Ullrich: Ja. Die Umstellung der Studiengänge auf Bachelor/Master macht den Umbau der Studienstruktur, aber auch der Angebote erforderlich. Ich möchte mehr in Richtung Popmusik anbieten. Nicht, weil ich klasse fände, wie sie gerade ist. Es sollte aber neben der künstlerischen Ausbildung die Möglichkeit geben, sich berufsnah ausbilden zu lassen, in Richtung Studiomusiker wie zum Beispiel bei „TV Total“. Um in der zweiten Reihe zu spielen, wenn man merkt, man ist kein Riesenkünstler, aber ein sehr guter Musiker. Den berufsfachschulspezifischen Aspekt sehe ich als notwendig an. Alles andere hieße, die Augen verschließen vor dem, was die Leute Markt nennen.

Wie wird sich die neue Ausbildung von der herkömmlichen unterscheiden?

Die Frage für uns ist: Produzieren wir weiter Künstler, die als solche nicht leben können, oder durch ein Ausbildungssegment auch „Dienstleister“? Wir wollen nicht die Zahl der Studenten erhöhen, die Popmusik machen. Es geht darum, die Ausbildung realitätsnah zu gestalten. Es muss in Zukunft Wahlmöglichkeiten geben, damit sich Studenten ihr Berufsbild individuell zusammenbauen können.

Ehemalige Studenten beklagen die Realitätsferne des Studiums. Werden keine entsprechenden Seminare angeboten?

Doch. In der Studienordnung, die wir vor acht, neun Jahren – wohlgemerkt mit den Studenten zusammen – entwickelt haben, wurde das Fach Musikmarktanalyse eingeführt. Das wird in einem neuen Master-Studienangebot aufgehen: Kunstmanagement. Bei uns angesiedelt wird es ein Kooperationsstudiengang von vier Hochschulen sein, der auch Jazz- und Popmusikern Inhalte anbietet, die sie als Module in ihr Studium einbauen können. Viele von denen, die klagen, haben mit der Attitüde des Künstlers studiert und die Nase gerümpft, wenn jemand das Wort „Markt“ in den Mund nahm.

Die Studierenden sollen lernen, dass sie später unternehmerisches Risiko tragen?

Richtig. Was bildende Künstler schon können, müssen Musiker noch lernen.

Liegt das nicht auch an der Vermittlung?

Ja. Auch die Vermittlung kann professionalisiert werden. Leute, die von außen geholt werden, Veranstalter oder Rundfunkleute, verfügen nicht immer über die Methodik oder Didaktik, das Material an den Mann und die Frau zu bringen. Sie machen das aus der Berufserfahrung heraus. Offensichtlich sind unsere Studenten nicht in der Lage, didaktisch schlecht aufbereitetes Material für sich umzusetzen. Auch das ist ein Problem.

Wann wird die Umstellung zum Bachelor bewältigt sein?

Zum Wintersemester 2006/2007. Der Jazz-Bereich wird es in der Hochschule als „Pilotprojekt“ machen. Erst sollte der Bachelor ja dreijährig und nicht mehr wie die Diplomstudiengänge vierjährig sein. Aber der Bachelor of Arts in Amerika, wo man immer hinschielt, ist vierjährig. Auch unsere Bachelor of Musical Arts werden vierjährig werden. Da bin ich sicher. Bildungspolitisch ist die Studienreform nur als Geldsparmaschine geplant. Wir können jammern, auf der anderen Seite haben wir aber die einmalige Chance, unser Studium von überflüssigem theoretischem Ballast zu befreien.

Werden Inhalte vorgeschrieben?

Nein. Es geht um die europaweite Harmonisierung der Anrechnung inhaltlich unterschiedlicher Studienleistungen über ein Kreditpunktesystem. Was zur Vernetzung der Hochschulen und größerer Mobilität der Studenten führen soll: etwa drei Semester in Florenz, zwei in Paris, wieder zurück und dann den Bachelor machen.