: Vivantes kämpft mit überhöhtem Defizit
Der landeseigene Klinikkonzern hat erst im Dezember ein Sanierungskonzept vorgelegt, ist aber schon neun Monate später tiefer in den Miesen als geplant. Deshalb sollen schon im November und nicht erst 2004 Stationen schließen
Der hoch verschuldete landeseigenen Krankenhauskonzern Vivantes kommt trotz Sanierung nicht richtig auf die Beine. Das Unternehmen räumt ein, auf ein überhöhtes Defizit zuzusteuern. Vivantes dementiert aber ein Minus von 30 Millionen, das aus einer internen Besprechung kolportiert wird. Gegenmaßnahmen sollen die Entwicklung bis Jahresende noch ausgleichen. Laut einer Sprecherin von Gesundheitssenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) waren die Zahlen bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung im Juni noch im Plan. Die nächste Sitzung steht am 22. Oktober an. „Es nutzt jetzt nichts, in hektischen Aktionismus zu verfallen.“ CDU und FDP fordern, Private in den Konzern zu holen.
Vivantes-Chef Wolfgang Schäfer hatte im Dezember ein Strategiekonzept vorgelegt, das für 2003 ein Defizit von 12,5 Millionen Euro vorsah. Jetzt hat Schäfer in einer Besprechung mit Klinikdirektoren laut Morgenpost 30 Millionen genannt. Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Mario Czaja, sagte der taz, er habe aus dem Konzern die gleiche Zahl gehört.
Vivantes-Sprecherin Fina Geschonneck bestritt ein Defizit von 30 Millionen, mochte sich aber nicht darauf festlegen, dass der zusätzliche Millionenbetrag nur einstellig ist. Nach ihren Angaben ist der Konzern dabei, gegenzusteuern. Darum würden bereits zum 1. November und nicht – wie bisher geplant – erst im nächsten Jahr bis zu dreizehn Stationen geschlossen oder zusammengelegt. Das überhohe Defizit erklärt Geschonneck mit einem unerwartet hohen Tarifabschluss und höheren Sachkosten.
Die Opposition reagierte mit harter Kritik auf die Finanzentwicklung des Klinikkonzerns. CDU-Mann Czaja sieht Vivantes „auf Crash-Kurs“. SPD und PDS hätten kein Konzept zur Rettung des Unternehmens vorgelegt und private Teilhaber abgelehnt. Czajas Fraktion will am Donnerstag im Parlament beantragen, über eine Gesetzesänderung eine Privatisierung zu ermöglichen. Czaja hatte es schon früher als „realistisch“ bezeichnet, dass das Land zwei bis drei der derzeit neun Vivantes-Krankenhäuser verkaufen müsse.
„Es muss jetzt endlich mal die Wahrheit auf den Tisch“, verlangte der FDP-Gesundheitsexperte Hans-Peter Schlaudt. Eine Privatisierungsdiskussion dürfe nicht länger aus ideologischen Gründen unterdrückt werden. FDP-Parlamentarier Martin Matz hatte sich schon vor über einem Jahr über ein „Gesundheitskombinat VEB Vivantes“ lustig gemacht und einen kompletten Verkauf gefordert.
Für die Grünen nimmt ihr Finanzpolitiker Jochen Esser das Vivantes-Defizit zum Anlass, erneut für eine bessere Kontrolle der Landesunternehmen zu werben. „Die Grünen haben schon immer an den Zahlen und Konzepten von Vivantes gezweifelt“, sagte Esser. Sein Fraktionschef Volker Ratzmann hatte vor einigen Wochen vorgeschlagen, dass das Land langfristig auch Vivantes verkaufen sollte.
Der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Andreas Pape, wies die Forderungen nach einem Verkauf als „zum augenblicklichen Zeitpunkt verfrüht“ zurück. Vivantes befinde sich ja gerade in einer Sanierungsphase. Ähnlich hatte PDS-Gesundheitssenatorin Knake-Werner schon im Frühjahr 2002 argumentiert und einen Verkauf in dieser Phase als „ökonomisch der blanke Unsinn“ bezeichnet. STEFAN ALBERTI