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Archiv-Artikel

Wo Helden aus den Bildern stürzen

Der Däne Nicolai Abildgaard litt zeitlebens darunter, dass er zwar Hofmaler das absolutistischen Königs war, andererseits aber mit der Französischen Revolution liebäugelte. Sein derzeit in Hamburg präsentiertes Werk ist entsprechend ambivalent

Eigentlich sollte man meinen, er wäre glücklich gewesen: Hofmaler des dänischen Königs war er, durfte Huldigungs-Zyklen und Wanddekorationen für die Schlösser Christiansborg und Amalienborg malen. Gut bezahlt war das Engagement außerdem. Für den 1743 geborenen Nicolai Abildgaard, den die Hamburger Kunsthalle derzeit präsentiert, hätte also alles gut sein können, wären da nicht die Aufklärung und die Ideale der Französischen Revolution gewesen, für die sich der Maler erwärmte. Denn im heute so fortschrittlichen Dänemark herrschte damals finsterster Absolutismus. Regierungskritik in Wort und Bild war unerwünscht.

Diese Diskrepanz machte es Abildgaard schwer, seine künstlerische Identität zu wahren, war der doch nicht fürs Buckeln geboren. Während seiner Lehrjahre in Rom beugte sich der spätere Lehrer von Caspar David Friedrich und Philipp Otto Runge auch nicht. Im Gegenteil: Da ließ er sich von Heinrich Füssli und dem schwedischen Bildhauer Tobias Sergel zu expressiven Bildern inspirieren, die die vorherrschende klassizistische Ideologie konterkarierten. Die propagierte formale Schlichtheit und Selbstherrschung; das künstlerische Resultat: eine oft versteinerte Künstlichkeit. Abildgaards Frühwerke zelebrieren das Gegenteil: Mit schmerzverzerrter Miene beugt sich der griechische Krieger Philoktet über seinen Schlangenbiss. Und mit Verzweiflung im Blick ersticht sich Adrastos am Grab eines versehentlich getöteten Freunds. Auch das Bildformat sucht Abildgaard zu sprengen: Da scheint der Sterbende diagonal von der Leinwand zu stürzen. Und der Körper des Verletzten wurde mühsam in den Bildrahmen gezwängt. So weit, so mutig.

Doch dann kam Abildgaard zurück nach Kopenhagen, wurde Professor an der Kunstakademie und Hofmaler. Für den Rittersaal von Schloss Christiansborg entwarf er Bildprogramme, die dem König gefielen. Und wenn Abildgaard geglaubt hatte, auch nur minimale ideologische Ausbrüche seien möglich, hatte er sich getäuscht: 1791 wurde die Zusammenarbeit plötzlich für beendet erklärt – angeblich wegen Geldmangels. Ursache des Bruchs muss ein Bild des Programms gewesen sein, auf dem ein Bauer vor dem König kniet und sein Joch zerbricht – lange, bevor der Hof entsprechende Gesetze erließ.

Vielleicht war Abildgaard in seiner Einschätzung der Lage schlicht naiv gewesen. Andererseits verhielt auch er selbst sich nicht immer konsequent: „Jetzt brennt mein Name“ soll er gesagt haben, als 1794 Schloss Christiansborg mit etlichen seiner Bilder abbrannte. Ein überraschender Ausruf angesichts der Tatsache, dass sich Abildgaard mit der thematischen und formalen Strenge königlicher Historienmalerei nur bedingt identifizierte.

In typisch klassizistischer Disziplin und formaler Erstarrung kommen Abildgaards Bilder jener Zeit daher; seltene romantisierende Anklänge finden sich auf seinen Shakespeare-Szenen und dem Porträt des nordischen mythischen Sängers Ossian. Solche Werke werfen kleine Spots auf die Belesenheit des Künstlers, dessen Bilder im Lauf der Jahre allerdings stetig an Vitalität verlieren. Nur seine Stiche und Zeichnungen bleiben kraftvoll – sie waren meist keine Auftragswerke.

Auch die politischen Ambitionen Abildgaards verloren sich. Denn er war schwer enttäuscht vom Resultat der Französischen Revolution und zog sich immer stärker ins Privatleben zurück. Was auch nicht konfliktfrei verlief: Nach achtjähriger Ehe floh seine Frau – immerhin die Gattin des Hofmalers – mit einem schwedischen Kammerherrn. Ein gefundenes Fressen für die Öffentlichkeit und peinlich für Abildgaard. Später lernte er eine neue Partnerin kennen und malte fortan antikisierende Liebesszenen. Nichts Politisches mehr. Vorausgesetzt, man betrachtet es nicht als Politicum, Zeitgenossen zu karikieren. Das hat er bis zum Schluss getan. Ein kleiner, feiner Rest von Subversion. PETRA SCHELLEN

Die Ausstellung ist bis 14. 6. 2009 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen.