Altbayerische Usurpatoren

betr.: „Jeder dritte Bayer gegen Stoiber“, taz vom 22. 9. 03

Wenn 41 Prozent der Wähler nicht zur Wahl gingen und zwei Prozent ungültig wählten, dann sagt das sehr deutlich etwas aus über die Verfasstheit von Demokratie, von Loyalität gegenüber dem Staatsgebilde, von Vertrauen in das System und über Zufriedenheit mit der Politik! Eine lächerliche Minderheit der wahlberechtigten Bürger in Bayern hat für eine Zwei-Drittel-Parlamentsmehrheit und damit für schrankenlose und nahezu kontrolllose Regierung in Bayern gesorgt! Das bedeutet auch, dass die größte Gruppe der wahlberechtigten Menschen in Bayern nichts mehr von Regierung, Staat und Parteien hält!

Wer das als „politikverdrossen“, als launische Emotion des Wählers abtut, hat die gefährlichen Signale nicht verstanden! Die offene Frage bleibt nun: Wie wird sich diese Wahlabstinenz und die damit verbundene Politikunzufriedenheit der Menschen in den nächsten vier Jahren oder in absehbarer Zeit bemerkbar machen? Wird der stille Protest verharren, oder wird er sich wie, wo und unter welchen Vorzeichen formieren?

Fazit des Desasters: Diese repräsentative Parteiendemokratur hat insgesamt abgewirtschaftet. Mit Reformen an den netzartig aufbrechenden Systemsprüngen ist dieses Staats- und Gesellschaftsgefüge nicht mehr zu retten. Das ist die Botschaft eines solchen Wahlergebnisses! LUISE NOMAYO, Parkstein

Dass ausgerechnet ein abgetakelter bayerischer Kanzlerkandidat den amtierenden Bundeskanzler das Fürchten lehrt, sagt einiges aus: weniger über den früheren Kanzlerkandidaten als über den derzeitigen Kanzler. Schröder hat seine Chance gehabt, und gleich doppelt: Trotz negativer Bilanzen wurde seine Amtszeit wegen seiner verbalen Ablehnung des Irakkriegs verlängert.

Diese Chancen nutzte (und nutzt) er in bewährter sozialdemokratischer Manier vor allem dazu, zwei seiner Herzensanliegen voranzutreiben: die „Enttabuisierung des Militärischen in Deutschland“ (O-Ton Schröder) zu erreichen und die Axt an sämtliche Mechanismen sozialer Absicherung zu legen. Die schamlose Umverteilungspolitik von unten nach oben werden ihm vor allem zwei besonders danken: das deutsche Kapital und die kommenden rechten Regierungen. HEINZ ECKEL, Berlin

Es ist schon merkwürdig: Während Helmut Kohl den Erfolg von Willy Brandt und Michael Gorbatschow erntete, macht der SPD heute zu schaffen, dass sie durchsetzt, was eigentlich CDU-Politik ist. Dementsprechend teilen sich die ehemaligen SPD-Wähler in die, die trotzdem SPD wählen, weil sie glauben, Schlimmeres zu verhindern, und diejenigen, die sich sagen: „Die machen ja doch, was sie wollen“, und zu zusätzlichen Nichtwählern werden.

Die Schlappe der SPD ist kein Erfolg der CSU, sondern ein deutliches Zeichen dafür, dass immer weniger Wähler ihre Meinung auf dem Stimmzettel wiederfinden, also ein desaströser Misserfolg der derzeitigen Politik. Das war noch nie so deutlich wie bei der Bayernwahl, CDU und CSU haben lediglich die Regierung vorgeführt, ohne eigene Konzepte zu haben. Das Ganze auch noch als sensationelles und epochales Ereignis darzustellen, ist geradezu eine Verhöhnung des Wählerwillens. AUREL JAHN, Darmstadt

Die in Bayern leben, sind in ihrer Mehrheit gar keine Bayern, sondern alteingesessene Franken, Schwaben, Pfälzer sowie die berühmten Zug’reisten jeglicher Provenienz. Über diese herrscht eine Minderheit der Bevölkerung, die Altbayern. Als Usurpatoren eingesetzt noch von Napoleon. HEINZ MERZ, Heinersreuth