: Arbeitslose nicht lustig genug für 1-Euro-Jobs
Als Alleinunterhalter in Heimen sollen Hartz-IV-Empfänger arbeiten, als Pfleger oder Kindergärtner. Doch manche Träger fürchten, die Unqualifizierten könnten ihren Ruf beschädigen: „Wir müssen Leute auch ablehnen können“
BERLIN taz ■ Langzeitarbeitslose wieder in Lohn und Brot zu bringen – das ist erklärtermaßen das Ziel der Ein-Euro-Jobs, die Kommunen, Arbeiterwohlfahrt, Deutsches Rotes Kreuz und Caritas im nächsten Jahr bundesweit im großen Umfang schaffen wollen. Doch nicht alle ExpertInnen teilen die optimistische Einschätzung, dass die Maßnahmen ihr Ziel auch erreichen. Viele sehen die Ein-Euro-Jobs eher skeptisch und befürchten Stellenabbau und Qualitätsverlust.
„Jede Tätigkeit, die nicht von ausgebildeten Fachkräften geleistet wird, nimmt einer Fachkraft Arbeit weg“, kritisiert Wolfgang Brauer, Schulleiter der Staatlichen Fachschule für Sozialpädagogik in Berlin, die Ein-Euro-Jobs. Seine Befürchtung: Arbeitslose Erzieher könnten künftig in Kindergärten oder Schulen eingesetzt werden, „die eigentlich von der Gruppen- oder Klassengröße her durchaus noch Bedarf an einer weiteren Fachkraft haben“. Mit der billigeren Fachkraft vom Arbeitsamt könnten diese Stellen dann gestrichen werden – und klamme Gemeinden viel Geld sparen.
Das Versprechen von kommunalen und anderen Trägern, EmpfängerInnen von Arbeitslosengeld II nur in Bereichen und für Hilfsarbeiten einzusetzen, die keine Ausbildung brauchen, überzeugt den Pädagogen nicht. „Wenn vermehrt Unqualifizierte im Sozialbereich arbeiten, unterminiert das natürlich den Beruf der Erzieherin“, so Brauer weiter.
Auch Jürgen Schülbe befürchtet durch unausgebildete Konkurrenz einen Imageschaden für Berufe wie Pfleger oder Kindergärtner. „Das ist sicherlich nicht förderlich für die Qualität der Arbeit und des Berufes“, sagt der Leiter eines Altenhilfezentrums in Frankfurt am Main. „Es ist sicher nicht im Sinne unserer Bewohner, jetzt von unqualifizierten Arbeitslosen betreut zu werden“, so Schülbe.
Anders sieht Sabine Strauß von der Volkssolidarität Bautzen e. V. die Lage. Die Geschäftsführerin des sächsischen Dienstleisters kann sich durchaus vorstellen, dass „es Bereiche gibt, wo wir Hilfe auch von Unqualifizierten brauchen könnten“. Der Verein diskutiert derzeit mit anderen Trägern, wo genau die Einsatzfelder liegen könnten. Ihr Vorschlag: Langzeitarbeitslose unterstützen Alte beim Einkaufen, gehen mit ihnen spazieren und sorgen so für den „dringend benötigten Sozialkontakt“.
Arbeitslose als AlleinunterhalterInnen – das geht aber nur, wenn sie auch entsprechend motiviert sind. Das wiederum dürfte keine Selbstverständlichkeit sein. Schließlich werden die Ein-Euro-Jobs von den Arbeitsagenturen vergeben und Arbeitslose sind gezwungen, sie anzunehmen, egal wie es um ihre Lust dazu bestellt ist. „Wir müssen Leute, die nicht das geforderte Profil bringen, unkompliziert ablehnen können“, fordert deshalb Strauß. Um zu verhindern, dass über Hartz IV Stellen im Sozialbereich weggespart werden, unterstützt die Leiterin eine „Deklarationspflicht“ für soziale Träger, wie sie derzeit in Sachsen diskutiert wird. Die Idee: Kindergärten, Altenheime und andere soziale Einrichtungen sollen ihre regulären Arbeitsplätze verbindlich angeben – damit diese nicht in Ein-Euro-Jobs umgewandelt werden können.
Dass mit den neuen Jobs allerdings ganz neue Arbeitsstellen entstehen, wie etwa der Vorsitzende der Arbeiterwohlfahrt Manfred Ragati behauptet hat, kann sich Strauß beim besten Willen nicht vorstellen. „Woher soll denn die finanzierte Mehrarbeit kommen – es geht doch gerade darum, dass Arbeit fehlt.“
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