: Feinde der Kunst
Das Kulturforum der SPD in Dortmund diskutierte mit Wolfgang Thierse die Zukunft von Kulturpolitik. OB verspricht Sozio-Zentren sichere Zukunft
AUS DORTMUNDPETER ORTMANN
„Es ist gut für eine Stadt, wenn der Oberbürgermeister einmal engagierter Kulturdezernent war.“ Die Scheinwerfer auf der kleinen Kabarettbühne im Fletch Bizzel flackerten leicht, als der stellvertretende SPD-Vorsitzende Wolfgang Thierse dies zu Beginn seiner Impuls-Rede mit kleiner Geste in den Raum warf. Es sei gut für die Kulturpolitik in Dortmund, formulierte er schnell noch einmal um. Thierse ist auch Vorsitzender des SPD-Kulturforums und in dieser Eigenschaft in Westfalen. „Gesellschaft im Wandel – Kulturpolitik im Umbruch“, darüber wollten Genossen und Kulturschaffende Montagabend Etwas hören.
Kultur benötigt mehr Geld, sie sei keine Subvention. Dieses Statement führt zu hoffnungsfrohem Nicken im soziokulturellen Zentrum. Doch die Pflichtaufgaben der Städte seien angesichts knapper Kassen so belastend, es sei nicht mehr alles möglich: Thierse weiß, dass viele in den nächsten Jahren bei der Kulturförderung auf der Strecke bleiben werden. Die meisten auf der Zuschauer-Tribüne wissen das auch. „Die Betroffenen wollen wir aber demokratisch mit einbeziehen“, sagt Thierse. Hoffnungen bei den Künstlern weckt das nicht.
„Deutschland gibt zu viel Geld für Arbeitslose aus“. Deshalb sei auch Kultur in Gefahr. Ein sozialdemokratischer Präsident des deutschen Bundestages kommt in diesen Tagen nicht um Hartz IV herum. Die PISA-Studie hätte keine Auswirkungen gehabt und wenn die musische Ausbildung der Kinder für eine kollektive Zukunft nicht forciert werde, dann sei das selbstmörderisch. Thierse nagelt noch sieben allgemeine Kultur-Thesen auf die Bretter der rot bestrahlten Bühne, ruft nach Austarierung zwischen Kultur-Events und der freien Szene – Ein Amen am Schluss drängt sich auf. „Ihr lasst die deutsche Sprache verrohen“, so beginnt die kurze und schmerzlose Diskussion. Unter den Scheinwerfern stehen jetzt auch noch der Dortmunder Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD), Horst Hanke-Lindemann, Sprecher des Kulturrats und Chef des Fletch Bizzel sowie Birgit Jörder, die Kulturausschussvorsitzende. „Gruppenbild mit Dame“, nennt das Moderator Jochen Brockstedt, zahlreiche „Damen“ im Publikum finden das nicht witzig. „In Dortmund waren 65 Prozent der Bürger gegen das Konzerthaus“, sagt der weißhaarige Literat Walter Liggesmeyer. Langemeyer lässt ihn routiniert abblitzen, doziert über die kulturelle Aufgabe einer Metropole: „So etwas braucht eine Stadt eben“. Langemeyer bekommt Beifall, Liggesmeyer schmollt. „Wer ist unser Feind?“, fragt dann Katja Lämmerhirt, deren gefördertes Altenprojekt ausläuft. Wolfgang Thierse schmunzelt. „Das sind die Unternehmensberater, die Kultur als Unkostenfaktor ansehen.“ Gerade die radikale Ökonomisierung von Kultureinrichtungen führe in den Ruin. „Und die sozialen Lasten, die erdrücken eine Stadt, die 130 Millionen Euro Defizit im Haushalt hat“, sagt Langemeyer, dazu käme der schwierige Neoliberalismus in der EU, der Kulturförderung immer nach wirtschaftlichen Kriterien überprüfe. Doch der Oberbürgermeister ist Kommunalwahl-Profi und verteilt am Schluss noch ein Bonbon. Nach der Wahl wolle er die Fördermittel der Freien Szene in Dortmund auf fünf Jahre festschreiben, „damit die endlich einmal Planungssicherheit haben“. Ein Zuschauer ist beeindruckt. „Das musste er nicht machen, die wählen ihn ja doch nicht“.