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Führers Majonäse

Der „Spiegel“, mittlerweile völlig drittreichbesoffen, kramt ein altes Buch zur Rechtschreibreform der Nationalsozialisten hervor, um die aktuelle Debatte anzuheizen. Geht’s eigentlich noch speckiger?

VOM STEFFEN GRIMBERG

Man nehme: ein vier Jahre altes Buch, zwei Bildchen mit reichlich Hakenkreuzen, an die drei Seiten im aktuellen Heft – und fertig ist die nächste Enthüllung: Schon im Dritten Reich „planten linguistische Eiferer eine radikal veränderte Rechtschreibung“, weiß der Spiegel. „Zwar stoppte Hitler selbst das Projekt – aber die Ideologen machten nach Kriegsende weiter.“ Und jetzt, brüllt es nicht mal zwischen den Zeilen aus dem Artikel, haben sie beinahe Erfolg. Vor allem, wenn der Spiegel nicht wäre. Denn so wie zu braunen Zeiten „argumentieren viele Reformer im Grunde noch heute“.

Derartig speckig war nicht mal die Anti-Windkraft-Tirade vor wenigen Monaten. Ja, auch im Dritten Reich wurde über Orthografie gestritten. Und es ging – das schreibt der Spiegel auch – um Ansätze wie den zur radikalen Kleinschreibung, der unter anderen in der progressiven Reformschulbewegung der Zwanzigerjahre diskutiert wurde. Eine groß angelegte Schreibreform, bei der die Lautierung eines Wortes Grundlage für die Schreibweise sein sollte, wurde bis 1944 ausgearbeitet – und dann bis Kriegsende auf Eis gelegt. Nichts anderes steht in dem zitierten Werk „Rechtschreibreform und Nationalsozialismus – Ein Kapitel aus der politischen Geschichte der deutschen Sprache“ von Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner. Es ist schon 2000 erschienen, was der Spiegel allerdings für nicht weiter mitteilenswert erachtet – und war dem Magazin damals übrigens nicht einmal eine Kurzrezension wert. Der Streit um die vermeintlich braunen Wurzeln der aktuellen Reform ist übrigens noch ein paar Jahre älter. Schon 1997, ein Jahr nach dem ersten Reformbeschluss, trat der Erlanger Germanist Theodor Ickler („Die sogenannte Rechtschreibreform. Ein Schildbürgerstreich“) die Kontroverse los. Seitdem ist das NS-Projekt von 1944 Wasser auf die Mühlen der Reformgegner.

„War das lange Werben für […] ‚Majonäse‘ vergebens gewesen? Mit oder ohne Führer, die Reformer sahen sich zur Sprach-Besserung berufen. Und so machten sie auch nach dem Ende des Dritten Reiches unbeirrt weiter“, sekundiert der offenbar endgültig drittreichbesoffene Spiegel. Schließlich will er gemeinsam mit Springer-Verlag und Süddeutscher Zeitung zurück zur „alten“ Rechtschreibung.

Ja, Majonäse darf man seit 1996 schreiben. Muss man aber nicht. Dass beim Leser jenseits aller Fettsaucen endgültig der Eindruck einer Verbindung zwischen der Lingua Tertii Imperii (LTI) und damaliger wie heutiger Orthografie-Reform entsteht, dafür hat der Spiegel schon gesorgt: „Der Plan war von perfider Logik: Um ein Volk zu knechten, brauche man nur seinen Kulturstolz zu zerrütten. Am wirksamsten sei dafür die ‚Störung des sprachlichen Selbstbewußtseins‘“, schreibt das Magazin über den NS-Linguisten Georg Schmidt-Rohr, der eine „sprachpolitische Aufspaltung“ Russlands plante.

Ein „Völkischer Aufbruch“ (Titel des Spiegel-Elaborats) fürwahr. Denn das „Volk“, dem nun heimtückisch seine Sprache genommen werden soll, führen viele Reformgegner im Munde.

Auch Thomas Gottschalk fordert laut Bild mittlerweile: „Weg mit der Schlechtschreib-Reform.“ Wer sich am Montag allerdings die Mühe machte, das ganze Interview zu lesen, konnte auch hier noch etwas über halbseidene Themenzuspitzung lernen. Bild packte nicht ganz zur Kernthese passende Antworten Gottschalks einfach nach hinten. „Es nicht so, dass mir dieses Thema den Schlaf raubt. Meinetwegen soll jeder schreiben, wie er will“, sagt da der Mann, der fast Deutschlehrer geworden wäre.

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