: Bush im Alleingang
US-Präsident Bush lehnt schnellen Machtwechsel im Irak ab, Frankreichs Präsident Chirac und UN-Generalsekretär Annan lehnen Alleingänge zu Krisenlösungen und präventive Kriege strikt ab
BERLIN dpa/afp/taz ■ Vor der UN-Vollversammlung wurden gestern tief greifende Differenzen zwischen US-Präsident George W. Bush auf der einen und UN-Generalsekretär Kofi Annan und dem französischen Präsidenten Jacques Chirac andererseits deutlich.
George W. Bush verteidigte erneut den Irakkrieg und lehnte eine „hastige“ Übertragung der Souveränität im Land an die Iraker ab. Der französische Präsident Chirac nutzte seinen Auftritt zu scharfer Kritik am von den USA geführten Irakkrieg. „In einer offenen Welt kann sich niemand isolieren, niemand kann allein im Namen aller handeln und die Anarchie einer Gesellschaft ohne Regeln akzeptieren“, sagte Chirac vor den in New York versammelten Staats- und Regierungschefs. Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte sich als erster Redner gegen militärische Alleingänge ausgespochen und vor der Doktrin präventiver Kriegsführung gewarnt.
Für die UNO forderte das französische Staatsoberhaupt eine „tief greifende Reform“ und nannte dabei unter anderem einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat für Deutschland. Bundeskanzler Gerhard Schröder unterstützte noch vor Beginn der Debatte demonstrativ die bisherige französische Position. Einen Tag vor seinem Gespräch mit US-Präsident Georg W. Bush in New York erklärte der Kanzler am Dienstag erstmals, dass die Machtübergabe an eine irakische Zivilverwaltung „in Monaten“ umgesetzt werden müsse.
Bush hatte in der Nacht zum Dienstag in einem Interview erstmals Verständnis für Deutschlands pazifistische Haltung geäußert. Schröder sagte mit Blick auf sein heutiges Gespräch mit Bush, dies sei „ein guter Auftakt“. Der US-Präsident und der Bundeskanzler treffen sich erstmals seit sechzehn Monaten zu einem bilateralen Meinungsaustausch.
Bush räumte gestern vor den UN ein, dass andere Staaten „nicht mit unseren Aktionen einverstanden waren“. Dennoch gebe es nach wie vor Übereinstimmung bei den „fundamentalen Prinzipien und Zielen der Vereinten Nationen“. Die USA seien entschlossen zur Verteidigung „unserer kollektiven Sicherheit“. Die USA strebten eine neue UN-Resolution an, die auch die Rolle der Vereinten Nationen im Irak stärken werde, sagte er, ohne die Aufgaben für die UN genauer zu beschreiben.
UN-Generalsekretär Kofi Annan hatte die Debatte mit deutlicher Kritik am Irakkrieg und an der amerikanischen Erstschlagsdoktrin eröffnet. Er warnte vor verheerenden Folgen jedweder präventiven Gewaltanwendung ohne UN-Mandat für die internationale Sicherheit. Zugleich betonte Annan, dass die Schaffung eines friedlichen und demokratischen Irak unabhängig von allen Differenzen für die gesamte Welt von großer Bedeutung sei. Die UN seien bereit, ihren Beitrag zu leisten.
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