: Eurozentristisch
Hamburger Bucerius Kunst Forum leitet buddhistische Kunst aus der hellenistischen her, obwohl dies nur ein kleines Segment betrifft
von PETRA SCHELLEN
Es sollte ein Rundumschlag werden, der werktätigen Bevölkerung Kunst schmackhaft zu machen, und das möglichst in der Mittagspause: Auch die aktuelle Ausstellung des 2002 eröffneten Bucerius Kunst Forums, getragen von der Zeit-Stiftung, hat sich –nach Cranach- und Picasso-Präsentationen – zum Anwalt der Bildung erhoben. Dass derweil die sieben Hamburger Museumsstiftungen darben und ein paar Millionen Euro gut gebrauchen könnten, steht auf einem anderen Blatt.
Unter markigem Titel firmiert die aktuelle Schau im Bucerius Kunst Forum, deren Thema auf 450 Quadratmetern schlicht nicht zu bewältigen ist: Kunst an der Seidenstraße – Faszination Buddha lautet der Titel der abermals von Leiter Heinz Spielmann – bis 1998 Leiter von Schloss Gottorf – initiierten Schau. Und wer nicht genau hinsieht, kann der hier angebotenen Suggestion erliegen: dass sich buddhistische Kunst wesentlich aus hellenistischen Quellen speise, die durch Eroberungszüge Alexanders d. Gr. nach Zentralasien gebracht wurden. Alexander-Büsten und Herakles-Statuen zieren den Beginn der Schau, die verschweigt, dass Alexander d. Gr. nur kurz – 329/328 v. Chr. – im zentralasiatischen Baktrien war, 327 v. Chr. den Indus überschritt, 326 v. Chr. aber von seinen erschöpften Soldaten zur Umkehr gezwungen wurde. Viel Zeit blieb also nicht für die Übernahme hellenistischer Formen, wofür sich im Übrigen nur spärliche Belege finden. „Es war Herrn Spielmanns ausdrücklicher Wunsch, den hellenistischen Einfluss besonders zu betonen“, sagt Doris Gröpper, die die Schau für das Berliner Museum für Indische Kunst kuratiert hat.
Ganz abwegig ist es also nicht, hinter der Präsentation einen eurozentristischen Blick zu vermuten, zumal sich Spielmann auch im Katalog ausführlich griechischer Philosophie widmet und nur am Rande erwähnt, dass sich Pythagoras auf die viel älteren hinduistischen Veden stützte. Und die forsch beschworenen „antiken Vorbilder der buddhistischen Kunst“ prägten nur ein winziges Segment der buddhistischen Kunst: die Kunstschule von Gandhara an der südlichen Seidenstraßen-Route zwischen dem heutigen Pakistan und Afghanistan, die im 2./3. Jh. n. Chr. entstand. Und fast trotzig wirkt es, wenn einzelne Darstellungen des Buddha-Begleiters Vajrapani auf den griechischen Herakles zurückgeführt werden.
Vorsichtiger formuliert es Marianne Yaldiz, Leiterin des Museums für Indische Kunst, die feststellt, dass Vajparani „dem Typ des griechischen Herakles entspricht“. Trotzdem: „Die westliche Kunst blieb anregend für die östliche“, schreibt Spielmann und offenbart so ein Selbstverständnis, das die Eigenständigkeit anderer Kulturen für kaum denkbar hält.
Allein – allzu weit trägt das Konzept nicht: Aus Höhlen-Wandmalereien aus Kizil und Bezeklik an der nördlichen Seidenstraßen-Route rekrutiert sich rund die Hälfte der Exponate; der Grund liegt nicht im Konzept: „Da wir erst im Februar mit den Vorbereitungen begonnen haben, blieb keine Zeit, um Exponate aus verschiedenen Museen zusammen holen. Da andererseits das Museum für Indische Kunst über etliche Wandmalereien verfügt, haben wir die Ausstellung damit bestückt“, sagt Kuratorin Doris Gröpper.
Legenden aus dem Leben des Buddha finden sich auf den seit dem 4. Jh. n. Chr. auf Lehm gemalten Höhlenbildern. Fragil sind auch die dort gefundenen Skulpturen aus ungebranntem Lehm. Einzelne Buddha-Figuren der parallel aktiven indischen Mathura-Kunstschule ergänzen die Schau, ebenso eine Votiv-Stupa des 5./6. Jh. n. Chr., die betend umschritten werden konnte.
Filigran und ästhetisch sind alle Exponate der Schau, die die Seidenstraße allerdings mit heutigen Globalisierungstendenzen vergleicht, Alexanders Feldzüge in kulturelle Missionen umdeutet und so letztlich auch die aktuelle Vernetzung als kulturelle Heilsbringerin beschwört. Eine eigenwillige Geschichtsdeutung, die etliche irreführende Suggestionen birgt.
Kunst an der Seidenstraße. Faszination Buddha. Bucerius Kunst Forum, Rathausmarkt 2, Hamburg; Geöffnet täglich 11–19 Uhr; bis 12. 10.