: Für unverhüllten Unterricht
Schulverwaltung kündigt nach Karlsruher Urteil Gesetzesinitiative an, um religiöse Symbole wie Kopftücher an Schulen zu verbieten. Experten fordern Debatte über Verhältnis von Religion und Staat
von SUSANNE LANG
Das Tuch auf dem Kopf, das Kreuz oder der kleine Buddha an der Halskette – diese und andere religiöse Symbole sollen LehrerInnen an Berliner Schulen nicht mehr tragen dürfen. Die Senatsschulverwaltung kündigte gestern eine entsprechende Gesetzesinitiative an und reagierte damit auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu der Klage der Muslimin Fereshta Ludin.
Das Land Baden-Württemberg hatte sich aufgrund ihres Kopftuch-Tragens geweigert, die Lehrerin in den Schuldienst zu übernehmen. Das Verfassungsgericht entschied gestern, dass die Bundesländer grundsätzlich religiöse Symbole verbieten dürfen, falls sie dafür eine gesetzliche Grundlage schaffen. In Berlin existiert diesbezüglich bisher keine Regelung. Allerdings hat hier auch noch keine Lehrerin beantragt, in einer öffentlichen Schule Kopftuch tragen zu dürfen. Ludin unterrichtet momentan in der einzig anerkannten Privatschule „Islamische Grundschule“ in Kreuzberg.
Schulsenator Klaus Böger (SPD) nannte das Urteil des Verfassungsgerichts „sehr weise“. Eltern könnten zu Recht erwarten, dass sich die staatliche Schule neutral verhalte. „Da das Kopftuch ganz offensichtlich Ausdruck religiöser Überzeugung ist, hat es bei den Lehrerinnen an staatlichen Schulen nichts zu suchen“, erklärte Böger.
In den Fraktionen des Abgeordnetenhauses stößt die geplante Initiative auf Zustimmung. Während die CDU unter dem plakativen Motto „Wenn schon kein Kreuz, dann auch kein Kopftuch“ insbesondere im „multireligiösen Berlin“ klare Richtlinien für „strikte Neutralität im Klassenzimmer“ forderte, verwies Fraktionschef Martin Lindner auf die säkulare Staatsform in Deutschland. Er forderte, dass ein Gesetz die Trennung von Staat und Religion garantieren müsse. Der migrationspolitische Sprecher der Grünen, Özcan Mutlu, äußerte sich ebenfalls entschieden gegen das Tragen von Kopftüchern im Unterricht, kritisierte jedoch den fehlenden Mut der Richter, das Verhältnis zwischen Staat und Religion klarzustellen und dies den Ländern zu überlassen. „Damit droht Beliebigkeit“, warnte Mutlu.
Der Integrations- und Migrationsbeauftragte Günter Piening hält das Urteil vor allem im Hinblick auf die zunehmende Religionsvielfalt für „sehr wichtig“. Er erhofft sich nicht nur eine klare Positionierung des Staates, sondern eine breite Diskussion in der Öffentlichkeit um Religion und religiöse Symbole in einer säkularen Gesellschaft. Dass diese Debatte schon längst überfällig sei, betonte auch Sanem Kleff von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Eine ähnliche Position bezog die Berliner PDS: Schließlich sei die Frage, ob das Kopftuch überhaupt ein religiöses Symbol darstelle, selbst in der Islamforschung noch nicht geklärt, sagt Vize-Fraktionschefin Carola Freundl. Wichtiger als ein Gesetz, das Kopftücher an Schulen verbietet, sei die Vermittlung von Hintergrundwissen über einzelne Religionen, so Freundl. Dies könnten etwa Projekttage leisten.
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