: Österreichs Finanzminister übersteht alles
Misstrauensantrag in Wien gegen Skandalminister Grasser scheitert. Aber die Vorwürfe gegen ihn gedeihen prächtig
WIEN taz ■ Bundeskanzler Wolfgang Schüssel war voll des Lobes über seinen Finanzminister. Damit war klar, dass der von der Opposition eingebrachte Misstrauensantrag gegen den parteilosen Karl-Heinz Grasser scheitern würde. Die SPÖ hatte für Dienstag eine Sondersitzung des Nationalrats einberufen, um die merkwürdigen Umstände eines geplanten Teilverkaufs der Telecom Austria zu klären. Grasser hatte Verhandlungen der Staatsholding ÖIAG darüber mit der Swisscom zuerst begrüßt, dann platzen lassen. Zwischen der Entscheidung und deren Bekanntgabe wurden dann so viele Telecom-Aktien abgestoßen, dass sich der Verdacht auf Insider-Handel aufdrängte.
Für praktisch alle unabhängigen Wirtschaftsexperten bewies das Vorgehen eklatanten Mangel an Professionalität. Denn Grasser, ein politischer Ziehsohn Jörg Haiders, hätte wissen müssen, dass der Verkauf der Telecom an das Staatsunternehmen Swisscom keine Privatisierung darstellt. Um dem abzuhelfen, hätte die FPÖ einer Anpassung des Gesetzes zustimmen müssen. Die war aber in die Verhandlungen nicht einbezogen und verweigerte ihre Zustimmung.
Die Plenarsitzung lief nach einer vorhersehbaren Regie ab. Der Misstrauensantrag wurde von den Regierungsparteien niedergestimmt; ÖVP wie FPÖ nutzten die Gelegenheit, um vor den Fernsehkameras gegen das jüngst präsentierte und noch reichlich unausgegorene Wirtschaftskonzept der SPÖ zu polemisieren. „Die SPÖ will in die Steinzeit, wir führen in die Zukunft“, ätzte ÖVP-Fraktionsführer Wilhelm Molterer über Pläne, Kapital stärker zu besteuern.
Karl-Heinz Grasser, einst der beliebteste Politiker der Regierung, konnte sein Strahlemann-Image allerdings nicht retten. In Umfragen sackten seine Werte innerhalb eines Jahres dramatisch ab. Daran ist die so genannte Homepage-Affaire schuld, die immer wieder durch neue Enthüllungen genährt wird. Der Minister hatte vor drei Jahren von der Industriellenvereinigung (IV) eine Spende von insgesamt 283.000 Euro für einen professionellen Web-Auftritt bekommen. Die Gelder wurden an einen eigens gegründeten „Verein zur Förderung der New Economy“ überwiesen, der hauptsächlich aus Büromitarbeitern Grassers besteht.
Die Frage der Opposition, ob der Verein keine Schenkungssteuer zu entrichten hatte, wurde von weisungsgebundenen Finanzbeamten negativ beantwortet. Der Rechnungshof sieht das anders. Ein Rohbericht, dessen Inhalt jetzt auszugsweise bekannt wurde, schließt sich einem Gutachten an, das die Steuerpflicht bejaht. Ein von der Staatsanwaltschaft bereits abgewiesener Strafantrag wegen Steuerhinterziehung muss jetzt wieder verfolgt werden. Der Grünen-Abgeordnete Peter Pilz kann inzwischen die Frage beantworten, warum für eine durchschnittliche Homepage, die der Selbstdarstellung Grassers dient, zehnmal mehr bezahlt wurde als für vergleichbare Produkte: laut Gutachten wurden für den Internet-Auftritt zahlreiche teure Funktionen bezahlt, die nach Auffliegen der Affäre nicht freigeschaltet wurden. Es stellt sich die Frage, warum die Industriellenvereinigung sich darüber nicht beschwert. Seine Mutmaßung ist, dass die Industriellen mit ihrer Spende um Karl-Heinz Grasser eine politische Alternative zur FPÖ aufbauen wollten. Da Grasser aber inzwischen vom Zugpferd zur Belastung für die Regierung Schüssel geworden ist, dürfte dieses Projekt gestorben sein. RALF LEONHARD