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Archiv-Artikel

Neue Pillen stärken Biotechnologen

Trendwende in der Biotech-Branche: Die Unternehmen forschen, entwickeln und fusionieren wieder. Auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement glaubt an Wachstum – und prophezeit viele neue Arbeitsplätze

VON FRANZISKA DÄHN

Die Biotechnologen frohlocken: Es würden wieder mehr Medikamente entwickelt, Firmen kämen in die Gewinnzone zurück und wüchsen, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Industrievereinigung Biotechnologie (DIB) Peter Stadler, gestern in Frankfurt.

Die Situation sei zwar alles andere als rosig, aber die Trendwende eingeläutet – nach zwei „schwierigen Jahren“, so Stadler. Besonders freute ihn – er vertritt über 200 Biotech-Unternehmen – der Börsengang der Berliner Epigenomics im Juli. Es war seit drei Jahren das erste Biotech-Unternehmen, das einen solchen Schritt wieder mal gewagt hat. Besonders erfolgreich war es allerdings nicht.

Erst Anfang der Woche hatte auch Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) alle Hoffnungen in die Biobranche gesetzt. Sie könne enorm viele Arbeitsplätze schaffen, prophezeite der Minister. Wie viel genau und in welchem Zeitraum, ließ er freilich offen. Beim Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim sind aber schon heute 1.500 Mitarbeiter in der Biotechnologie beschäftigt. Und das ist sechsmal so viel wie noch 1995, erklärt der Pressesprecher Gunter Engelberg.

Ein Innovationsfaktor sei die Biotechnologie in der Feinchemie, in der Umweltanalytik, vor allem aber in der Pharmaindustrie, erklärte Stadler. So seien derzeit 106 gentechnisch hergestellte Arzneimittel auf dem deutschen Markt, 14 aus heimischer Produktion. „Es gilt: ohne Bio- und Gentechnik keine moderne Arzneimittelforschung“, sagte Stadler. „Die Pharmaindustrie hat bei der ansonsten umstrittenen Gentechnik kein Akzeptanzproblem mehr“, sagt auch Christina Sehnert, Sprecherin von Bayer Health Care.

Doch in der Landwirtschaft und der Ernährungsbranche, klagt der Verband der Biotechnologen, gebe es noch immer ideologische Hürden, die Gentechnik zu nutzen. „Mit der Grünen Gentechnik steht eine wichtige Zukunftstechnologie in Deutschland vor dem Aus“, sagte DIB-Vorstand Harald Seulberger.

Das Gentechnik-Gesetz, das die Regierung derzeit plane, zöge einen jahrelangen Innovationsstau für Forschung, Landwirtschaft und Industrie nach sich. Es beinhaltet Schutz- und Haftungsauflagen, die die Verbraucher und die herkömmlich produzierende Landwirtschaft vor Genverunreinigungen schützen sollen. Gerade bei diesen Schutzmaßnahmen sieht Seulberger jedoch Änderungsbedarf: „Der Regierungsentwurf macht das Haftungsrisiko für den Landwirt unkalkulierbar und verhindert damit die Nutzung der Pflanzenbiotechnologie.“

Verhaltenes Lob erhielt die Bundesregierung jedoch für den im Februar dieses Jahres verabschiedeten „High-Tech-Masterplan“, der das Kapitalangebot für junge High-Tech-Firmen verbessere. Allerdings fehlten darin nach Ansicht des DIB steuerliche Vergünstigungen. Stadler forderte sie, weil nur solche „die Schere der Standortbedingungen“ in Europa für die Biotechbranche schließen könnten.

Als „politischen Skandal“ bezeichnete Stadler, dass Deutschland die EU-Richtlinie zu Biopatenten noch immer nicht umgesetzt habe. Sie regelt Patente auf Tiere und Pflanzen. „Diese ist unerlässlich, um Deutschlands Biotechnologiemarkt international wettbewerbsfähig zu halten.“