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Archiv-Artikel

America at its best

betr.: „Mach dich dreckig und rein“, über das Burning-Man-Festival in der Wüste Nevada, taz.mag vom 20./21. 9. 03

Für die meisten „burner“ ist Burning Man mehr als ein riesiges Fun Festival: Es ist für neun Tage der gelebte amerikanische Mythos, die Auferstehung amerikanischer Ideale.

Nicht das Amerika all der unterschiedlichen, quasi ghettoisiert lebenden Ethnien; nicht das Amerika der christlichen Rechten, deren Prediger das Produkt Jesus anpreisen; nicht das Amerika der Vertreter der Family Values, die salbungsvoll christliche Werte unter das Volk bringen, während sie Ausgrenzung und Intoleranz meinen. Nicht die hässliche Staatsphilophie eines Thomas Hobbes, deren neoliberale Apologeten in Amerika zur Zeit das Sagen haben, gemäß der der Mensch und ergo das Volk unvernünftig ist und deshalb vom Souverän mit allen Mitteln, gerade auch denen der propagandistischen Lüge, regiert werden muss.

Burning Man ist das Amerika eines John Locke, eines Stuart Mills, deren Philosophie sich in der Präambel der amerikanischen Verfassung ausdrückt als die Aufforderung an den Bürger, nach Glück zu streben. Reichtum ist nichts Ehrenrühriges, weil er in einer Solidargemeinschaft den mündigen Bürger befähigt, ordnend in das gesellschaftliche Geschehen einzugreifen und auf diese Weise andere an seinem Wohlstand teilhaben zu lassen.

Unter den Burnern, viele von ihnen Yuppies, kursiert ein anderer Begriff als unterliegender Sinn des Mega-Spektakels: Potlash, eine Idee nordamerikanischer indianischer Kulturen: Ein Reicherer teilt seinen Wohlstand mit den weniger Begünstigten seines Stammes, indem er eine riesige Party schmeißt: Er setzt nicht nur sein Geld, sondern auch seine Kreativität ein und stellt sich auf diese Weise dar. Es geht um die Befriedigung ideeler Bedürfnisse, aber auch das kann Geld kosten. Die Betreiber der Camps zahlen nicht nur den üblichen, sondern einen erhöhten Eintrittspreis, und was geboten wird, ist je nach finanziellen Möglichkeiten einigermaßen bezahlbar bis sehr teuer. Man stelle sich eine Kirmes vor, wo die Schausteller zwar Standgebühren zahlen, aber jedes Fahrgeschäft führe umsonst, Lebkuchenherzen würden gratis verteilt, Lose kosteten nichts, und jedes wäre ein Treffer. Für mich und viele andere dort in der Wüste von Nevada ist Burning Man für eine Woche die Verwirklichung dieses amerikanischen Traums: Die Geschichte, wo der Tellerwäscher zum Millionär wird, ist nur die halbe Wahrheit. Als Millionär hat er die Aufgabe, zu teilen, allerdings so, wie es ihm richtig erscheint. Das ist America at its best und ein Fanal in Richtung Cheney, Rumsfeld, Wolfowitz und co. Watch it, guys! SUSANNE PRIOR, Lengerich