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Archiv-Artikel

Die Angst ist immer dabei

Weil sie in ständiger Furcht vor Abschiebung leben müssen, werden immer mehr Flüchtlingskinder in Hamburg psychisch krank. Opposition fordert Härtefallkommission

Immer mehr Flüchtlingskinder in Hamburg sind psychisch krank. Davor haben gestern Fachleute und Politiker auf einem Podium der kirchlichen Hilfsstelle Fluchtpunkt gewarnt. Durch den ständigen Druck drohender Abschiebung litten behördlich hier nur geduldete Kinder zunehmend an Angstattacken, Schlaflosigkeit und Lernproblemen. Viele trügen sich mit Suizidgedanken oder verstümmelten sich, so Anne Harms von Fluchtpunkt: „Die in Hamburg übliche Praxis jahrelanger Kettenduldungen ist der Wahnsinn, der das zu verantworten hat.“

In Hamburg leben etwa 15.000 Flüchtlinge mit dem unsicheren Duldungsstatus. Sie können jederzeit unangekündigt abgeschoben werden. Viele sind Kinder, die hier geboren oder seit ihren ersten Lebensjahren in Deutschland sind. Der Gesetzgeber hat sich die Duldung mit all ihren Einschränkungen wie Arbeitsverbot nicht als Dauerstatus gedacht. Gleichwohl erteilt die Hamburger Ausländerbehörde routinemäßig Kettenduldungen, in manchen Fällen bis zu 20 Jahre lang. „Diese dauerhafte Unsicherheit macht krank“, warnt Probst Horst Gorski.

Auch Hubertus Adam, Psychiater in der Kinderflüchtlingsambulanz des UKE, beklagt: „Das Leben mit dem unsicheren Status ist eine zusätzliche Belastung für die Jungen und Mädchen“, von denen viele in ihren Herkunftsländern „Grauenvolles“ erlebt und „schwerste Traumata“ hätten. Adam berichtet von einem tschetschenischen Jungen, der durch ein Sylvesterfeuerwerk in Hamburg retraumatisiert wurde und ins UKE eingeliefert werden musste. „Nach drei Wochen ging es ihm gerade wieder besser, als er aus Hamburg abgeschoben wurde“, so Adam: „Da läuft vieles falsch.“

Zugleich machten die hiesigen Lebensbedingungen die Flüchtlingskinder krank: „Die sehr schlechten Wohnverhältnisse etwa das Eingepferchtsein auf den Schiffen“ führten bei Kindern zu Einnässen, Aggressionen und Lernschwierigkeiten.

Um Abhilfe zu schaffen, fordert SPD-Vertreterin Aydan Özoguz die Einrichtung einer Härtefallkommission, die langjährig Geduldeten ein Bleiberecht erteilen könnte. Das will auch die GAL. Zugleich müsse der Senat auf Kettenduldungen verzichten, so die Grüne Christa Goetsch: „Sonst leben Flüchtlinge hier weiter in totaler Perspektivlosigkeit.“ Eva Weikert