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Archiv-Artikel

Bürger auf dem Pfad der Entwicklung

„Rauchen, Saufen, Filme gucken“: Unterstützt von Stadtteilgruppen beginnt die Crew von Studio Braun am Samstag im Schauspielhaus Hamburg die Reihe „Bürgertreff“. Gesucht wird nichts weniger als das „nackte Talent“

Die Mitglieder des Studio Braun sind dafür bekannt geworden, am Telefon etwas zwischen Streich und Nepp zu spielen. Da genügte zum Beispiel schon die Ankündigung, „gleich das Koks holen“ zu kommen, um mit Unbekannten eine raffinierte Unterhaltung in Gang zu setzen. Dabei haben sie es über die Zeit aber nicht vermieden, sehr alte Spiele zu spielen: zum Beispiel das, bei dem Leuten ihre Charaktermasken heruntergezogen werden sollen.

Die funkelnde madness, die sich beim Anrufen aufbaute, schrumpfte mit der Zeit zurück auf eine Masche. Man wollte bald nicht mehr dabei sein, wenn die Hechte vom Studio Braun einem Hörer zuflöteten: „Das Gespräch ist echt, aber ich bin es nicht. Ach, wie gut, dass niemand weiß, dass ich vom Studio Braun bin.“ Festgehalten ist das auf mehreren CDs.

Die Arbeit mit Verwirrung, Uneindeutigkeiten und Peinlichkeiten sieht nach einem recht privat gewordenen Spaß aus. Den haben aber immer noch Leute, die in der Lage sind, Insider-Witze nicht nur zu reißen, sondern auch anzuwenden. Dafür braucht es die Bereitschaft , sich weniger in einer hohen Kunst zu üben, als sich ihr auszusetzen. Wie man das macht, haben Studio Braun entdeckt.

Was sie mit dem „Bürgertreff“ im Schauspielhaus Hamburg vorhaben, ist eine große Sache. Der Hamburger Bürger stehe „noch ganz am Anfang seiner gesellschaftlichen Entwicklung“, erklären Studio Braun, und kündigen für ihre monatlichen Shows an, sich – unterstützt von Stadtteilgruppen – auf die Suche nach dem „nackten Talent“ zu machen.

Das liest sich, als hätten sich Leute, die mit dem Rücken zur Wand stehen, überlegt, wie sie überleben können. Zu diesem Zweck bringen sie sich und andere in einen Zustand, in dem ihnen „das nackte Talent“ vor dem geistigen Auge erscheint. Das sehen sie so klar vor sich wie die Indianerjungen in Jugendbüchern, die, um erwachsen zu werden, für einige Tage ihren Stamm verlassen und weder essen noch trinken, so lange, bis sie eine Erscheinung haben. Von da an wissen sie, welchen Namen sie in Zukunft als Erwachsener tragen werden. „Nacktes Talent“ wäre ein guter Name für einen Mohikaner. KRISTOF SCHREUF

Sonnabend, 20 Uhr, Schauspielhaus Hamburg; danach an jedem letzten Sonnabend im Monat