Verliebte Jungs

Blonder Schopf, kantiger Kopf – rein damit in den Nazi-Topf: Nach diesem Schema beargwöhnen Altlinke die Bilder des Malers Norbert Bisky. Aber das ist Unsinn und zeigt nur, welche Probleme Rot und Grün mit avantgardistischer Ästhetik haben

von GUIDO WESTERWELLE

Norbert Bisky hat Erfolg. In Deutschland noch vor drei Jahren als Geheimtipp gehandelt, steht der 33-Jährige mittlerweile vor dem internationalen Durchbruch. Sammler kaufen seine Werke, bevor sie überhaupt entstehen. Bisky hat sich eine eigene künstlerische Handschrift erarbeitet. Sein Studium an der Berliner Hochschule der Künste ist er nach eigenen Worten „angegangen, so wie man eine Banklehre beginnt – eben gar nicht verrückt oder chaotisch“. Als er dann zu Georg Baselitz ging, wurde aus dem „Musterschüler“ (Bisky über sich selbst) ein Meisterschüler. Doch je größer und anerkannter sein Erfolg, desto argwöhnischer wird er von der politischen Linken beäugt.

Auf Biskys Werken posieren blonde Jungen und Mädchen, mal in der Natur, mal in sportlichen Szenen. Reflexartig ruft das Fragen nach „blonden Bestien“ hervor und ob er an Arno Breker denke oder Leni Riefenstahl kenne. Körper, die nicht aussehen wie bei Egon Schiele, sind für Altlinke politisch inkorrekt. Selbst die Verwandtschaft zum PDS-Vorsitzenden ist für Norbert Bisky in ihren Augen keine Entlastung. Egal, ob Kreuzberg, Göttingen oder Freiburg, das Klischee sitzt, passt – und wackelt nicht.

Der Altlinke in Deutschland hat gelernt, wie der Feind aussieht. Er erkennt die Nazi-Visage an der Physiognomie. Der Rauschebart von Wolfgang Thierse und der Schluffi-Look von Christian Ströbele sind nur die Spitze der zur Schau getragenen Nachlässigkeit, die sich quer durch die Traditionalisten in den Reihen von Rot und Grün zieht. Josef Fischer wäre 1998 nie an die Macht gekommen, wenn er schon damals so feine Tücher getragen hätte wie heute.

Altlinke haben ein Problem mit Ästhetik. Wer fitnessgestählt daherkommt, macht sich des Wehrsports verdächtig. Mindestens gilt der Grundsatz: schön gleich hohl. Körperliche Ertüchtigung zum Beispiel durch Laufen ist allenfalls denen verziehen, die nachgewiesen haben, dass sie sich auch gehen lassen können. Ein gezogener Scheitel auf dem Kopf verbietet sich, weil Altlinke dahinter sofort Gleichschaltung im Kopf vermuten. Dabei braucht man Biskys Entwicklung nur eine Zeit lang zu verfolgne, um ihre entlarvende und anklagende Wirkung gegenüber Gewalt und Krieg zu entdecken. „Dadurch, dass Massenvorstellungen in meinen Bildern auf die Spitze getrieben werden“, so Bisky, „sieht man mal, wie das aussieht. Man kann dann überlegen, ob man das möchte.“ Er hat nicht nur Bilder im Kopf, sondern Vorstellungen. „Ich kratze an Türen“, sagt der Künstler dazu. „Und dahinter ist das Zimmer, in das man nicht reingehen darf. Nehmen wir die Achtundsechziger. Da haben sich Leute einer Generation in ein ganz bestimmtes Wertesystem begeben und sind jetzt auf ganz totalitäre Weise in ihrem eigenen Denkmuster drin. Ich bin in einer Diktatur groß geworden. Mir ist das alles sehr vertraut. Wenn jemand nicht die Freiheit aufbringt, Dinge auch einfach mal zuzulassen, registriere ich das sofort.“

Bisky ist mit seinem Vorwärtsdrang nicht allein. Der Leipziger Maler Neo Rauch, Jahrgang 1960, hat den Durchbruch rund fünf Jahre vor Bisky geschafft, hauptsächlich mit Reminiszenzen an die Farben und Formen von Waren und Lebensräumen der 60er-Jahre. Ein anderes Mitglied der so genannten Leipziger Schule, Tim Eitel, macht derzeit Furore, indem er Betrachter von Malerei in Ausstellungsräumen zum Gegenstand seiner Bilder wählt. Bisky, Rauch und Eitel stehen für eine neue deutsche Avantgarde der Malerei. Aber Vorsicht, diese Kerle meinen es ernst mit ihrer Eigenständigkeit! Die sind so frei und lassen die Deutsche Bank und den Deutschen Bundestag als Käufer ran oder die Allianz als Ausstellungssponsor! Norbert Bisky hat eines seiner Bilder, das ich gekauft habe, sogar persönlich vorbeigebracht. „Das hält mein Bild durchaus aus“, hat er später dazu gesagt, und: „Irgendwann ist das Bild immer noch da, und kein Mensch weiß mehr, warum sich das irgendein Politiker irgendwann einmal irgendwohin gehängt hat.“ Das halte ich wiederum aus. Nur was ich schlecht aushalte, ist diese politische Fixierung auf Äußerlichkeiten, dieses Schema: Blonder Schopf, kantiger Kopf – rein damit in den Nazi-Topf. Pfui, weg damit – dieses Land kann nachdenken!

Guido Westerwelle ist FDP-Vorsitzender