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Archiv-Artikel

Tat angeblich angekündigt

WINNENDEN taz/epd/dpa ■ Der Amokläufer von Winnenden soll seine Tat wenige Stunden vor dem Blutbad an seiner früheren Schule im Internet angekündigt haben. In der Nacht zum Mittwoch habe er in einem Internet-Chat die Gewalttat an seiner ehemaligen Schule angedeutet, sagte der baden-württembergische Innenminister Heribert Rech (CDU) am Donnerstag. Der 17-Jährige befand sich zudem wegen Depressionen in psychiatrischer Behandlung.

In dem Chat schrieb Tim K. laut Rech um 2.45 Uhr: „Scheiße Bernd, es reicht mir. Ich habe dieses Lotterleben satt, immer dasselbe – alle lachen mich aus, niemand erkennt mein Potenzial. Ich meine es ernst, Bernd – ich habe Waffen hier, und ich werde morgen früh an meine frühere Schule gehen und mal so richtig gepflegt grillen. Vielleicht komme ich ja auch davon. Haltet die Ohren offen, Bernd, ihr werdet morgen von mir hören. Merkt euch nur den Namen des Orts: Winnenden. Und jetzt keine Meldung an die Polizei, keine Angst. Ich trolle nur.“ Auf den Internet-Chat stießen die Ermittler durch den Hinweis eines 17-Jährigen aus Bayern, der daran in der Nacht teilgenommen hatte. Der Vater des Jugendlichen hatte sich laut Rech am Mittwochabend bei der Polizei gemeldet. Der Jugendliche habe die Ankündigung zunächst nicht ernst genommen.

Bei der taz meldete sich ein Leser, nach dessen Darstellung es sich bei dem Screenshot, auf den sich das Innenministerium bezieht, um eine Fälschung handelt. Seinen Angaben zufolge soll ein User des Forums erst nach dem Attentat am Mittwochnachmittag um 15.30 Uhr in der Chat-Sektion von „krautchan.net“ geschrieben haben, er wolle einen gefälschten Sreenshot anfertigen, in dem Tim K. seinen Amoklauf in Winnenden ankündigt. Wenige Stunden später sei dieser Screenshot dann auch erschienen – rückdatiert auf den 11. März, 2.45 Uhr am Morgen. Der taz-Informant verwies auf die Formulierung auf dem Screenshot: „Und jetzt keine Angst, ich trolle nur“ hin. Trollen steht im Netz-Slang für „jemanden verarschen“. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart wies die Zweifel an der Echtheit des Chatroom-Eintrags wiederum zurück.

Tim K. hatte am Mittwoch um 9.30 Uhr die Albertville-Schule in Winnenden (Rems-Murr-Kreis) gestürmt. Bei seinem Amoklauf gab der 17-Jährige nach Angaben des Innenministers mehr als hundert Schüsse ab. Allein in der Schule habe er mindestens 60 Schüsse abgefeuert. Laut Polizei kam er am Mittwochmorgen mit mehr als 200 Schuss Munition in die Schule. Dort erschoss der Jugendliche neun Schüler und drei Lehrerinnen. Auf der Flucht tötete er drei weitere Menschen und schließlich sich selbst. Dass er sich selbst das Leben nahm und nicht von der Polizei erschossen wurde, beobachteten nach Polizeiangaben auch Augenzeugen.

Das genaue Motiv für den Amoklauf blieb auch nach den neuen Ermittlungsergebnissen unklar. Tim K. besaß den Ermittlern zufolge auch sogenannte Killerspiele und Softair-Waffen. Das sind Nachahmungen von Waffen, bei denen mit Plastikkugeln geschossen wird. Auch Gewaltfilme wurden bei ihm gefunden.

Nach den Worten des Leiters der zuständigen Stuttgarter Staatsanwaltschaft, Siegfried Mahler, wurde der Jugendliche als zurückhaltender, stiller Mensch beschrieben, der „etwas verschlossen“, aber „durchaus freundlich“ sei.