Das Dongbaek-Fräulein

Hierzulande kommt asiatische Popmusik gleichermaßen exotisch und verwestlicht an. Dagegen setzte die Urania mit einer Revue zu 100 Jahren Pop aus Korea auf Schmachtsongs in Schuluniform und die fernöstliche Maria Carey

Es gibt viele hübsche Geschichten über koreanische Popmusik. Wussten Sie, dass der deutsche Schlager „Dschingis Khan“ in den Siebzigerjahren in ganz Asien ein Riesenhit war? Eine chinesische Version brachte die Volksrepublik zum swingen, in der Mongolei avancierte der Song zur heimlichen Nationalhymne. Nur in Korea fiel er der Zensur zum Opfer: An den so genannten Mongolensturm, unter dem das Land im 13. Jahrhundert erbebte, wollte man nur ungern erinnert werden.

Später kamen die Japaner, auch daran erinnert man sich in Südkorea nicht so gern. Als die koreanische Regierung in den Sechzigerjahren befand, dass der populäre Schlager „Das Dongbaek-Fräulein“ zu sehr japanischen Vorbildern glich, ließ sie auch ihn kurzerhand verbieten. Das jedenfalls konnte man dem informativen Programmheft zu der Revue entnehmen, die „100 Jahre koreanische Populärmusik“ auf die Bühne der Urania zu bringen versprach.

Dem Außenstehenden – vor allem, wenn er die Sprache nicht versteht – erschließen sich solche feinen Differenzen nicht. Denn für westliche Ohren klingt koreanischer Pop genau so wie all die vielen anderen asiatischen Varianten: Genau so verwestlicht, genau so exotisch.

Doch die Revue, zu der die koreanische Botschaft im Rahmen der Asia-Pazifik-Wochen eingeladen hatte, versprach da einige Aufklärung. Immerhin wehte ein Hauch von Schulaufführung durch das holzgetäfelte Sechzigerjahre-Auditorium der Urania, als sich dort ältere Tenöre wie der gesetzte Herr Kim Pung-Rim und jüngere Mädchen am Mikrofon abwechselten, um die populärsten Schlager aus zehn Dekaden vorzutragen.

Die Sängerin Maria Ponev, durch eine Musikwettbewerb ausgewählt, trug mit klassischer Stimme und im eleganten roten Kleid die getragenen Balladen aus den Sechzigerjahren vor, ihre Kollegin Kang Ju-Min trällerte in einer Art Schuluniform die leichtere Kost wie etwa das leicht frivole „Ich bin siebzehn“. Das Publikum bestand überwiegend aus koreanischen Müttern und in Deutschland geborenen Teenagern und klatschte gern mit, wenn es eine Melodie erkannte.

Ein wenig glich die kurzweilige Veranstaltung auch einem Lichtbildervortrag mit Musikbeispielen, wurden doch zwischen den Gesangsvorträgen immer mal wieder aktuelle Videoclips koreanischer Stars wie BoA eingespielt, einer Art fernöstlicher Mariah Carey, die mit ihren Hits in ganz Asien Erfolge feiert.

Doch während indische Bollywood-Schlager inzwischen auch hierzulande boomen, und die singenden Stars des Hongkong-Kinos mittlerweile so manchen deutschen Fan haben, ist koreanische Musik hierzulande noch weitgehend unbekannt: Und das, obwohl die Fußball-Weltmeisterschaft vor zwei Jahren dem südostasiatischen Land eine richtiggehende Imagekur beschert hat.

Nun will die koreanische Botschaft einen Gesangswettbewerb starten, mit dem sie auch deutsche Interpreten für den koreanischer Schlager gewinnen will. Einer jedenfalls, der Sänger Max Koffler, ganz offensichtlich ein autochtoner Deutscher, hat sich dafür längst schon erwärmt. Er sorgte mit seiner Band für regelrechte Begeisterung im Saal, als er ein Stück mit der Rockgruppe Sanullim vortrug, den koreanischen Beatles. Und das in einer koreanisch-deutschen Version.

DANIEL BAX