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Archiv-Artikel

Kostüm gegen Glatze

Torsten Albig, Sprecher von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück, will am Sonntag den Kieler Oberbürgermeister-Posten für die SPD zurückerobern. Seine Kontrahentin, CDU-Amtsinhaberin Angelika Volquartz, nennt er eine „freundliche ältere Dame“

„Püppi“ Volquartz

„Toll, jetzt hauen wird Püppi aus den Pumps“, soll laut Abendblatt Finanzminister Peer Steibrück (SPD) seinem Sprecher Albig gratuliert haben, als dessen Kandidatur für den Posten des Kieler OB durch war. „Püppi“, damit war die Kieler Amtsinhaberin Angelika Volquartz (CDU) gemeint, die Steinbrück noch aus seiner Zeit als Kieler Wirtschaftsminister kennt – Volquartz war damals Landtagsabgeordnete. Den Spitznamen hatte sie wegen ihrer Vorliebe für adrette Kostüme bekommen. TAZ

VON ESTHER GEISSLINGER

Die Welt ist ungerecht: Der Mann mit Schal turnt durch Kanalschächte, steht im Wind auf der Werft, sitzt im Büro. Doch den Applaus bekommt am Ende die blonde Grinsefrau. Mit diesem Cartoon wirbt die SPD in Kiel für ihren Oberbürgermeisterkandidaten Torsten Albig, den Mann mit Schal. Am Sonntag wird sich herausstellen, ob die Bilder Recht behalten – ob Angelika Volquartz, Spitzname Püppi und Amtsinhaberin von der CDU, am Wahlabend strahlen darf.

In einem Punkt stimmt der Cartoon: Albig, 45, war seit November viel unterwegs in der Landeshauptstadt. Anfangs pendelte er fast täglich zwischen Kiel, wo seine Familie wohnt, und Berlin, wo er arbeitet. „Morgens um drei aufstehen, den Tag in Berlin, abends wieder in Kiel, das war verdammt anstrengend“, sagt er. Für die letzten Wahlkampfwochen hat er Urlaub genommen.

Vor einigen Tagen saß Albig, mit Anzug und Krawatte statt wie auf den Wahlplakaten mit Pullover, bei einer Pressekonferenz in Kiel neben seinem Dienstherrn, Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD). Albig hielt sich meist zurück, sprang nur hin und wieder mit einem Halbsatz, einer Erklärung ein, lächelnd, gut im Thema. „Die Stimme seines Herren“, murmelte einer aus der Journalisten-Runde. Seit 2006 ist Albig Steinbrücks Sprecher, aber einer, der zu gut Bescheid weiß, um nur Sprachrohr zu sein.

Pressesprecher ist oft ein Journalisten-Job, Albig dagegen hat Jura studiert. Er arbeitete in Schleswig-Holstein in der Steuerverwaltung und wurde schnell zu Höherem abberufen: In der SPD-Zentrale plante er die rot-grüne Steuerreform mit und war bereits 1998 Sprecher des Bundesfinanzministeriums – da war er 35 und sein erster Chef hieß Oskar Lafontaine. 2001 wurde er Konzernsprecher der Dresdner Bank in Frankfurt.

Es könnte der Eindruck entstehen, da sei „eine Art Polit-Streber am Werk“, schrieb die Wirtschaftswoche: „Seine große Eloquenz und für sein Alter überraschende Erfahrung wirken bisweilen einschüchternd und abweisend.“

Im Kieler Wahlkampf tritt Albig zurückhaltend auf, hört zu, lässt sich erklären. Wie wenig er seine Gegnerin Volquartz angreift, überrascht sogar die Kieler Nachrichten. „Klar, bei den rituellen Wahlkampfveranstaltungen bin ich halbwegs kämpferisch“, sagt er. „Aber ich will nicht Regierungschef oder Parteipolitiker werden, sondern Oberbürgermeister. Der Wahlkampf muss dazu passen.“

Für Volquartz findet er die kleine Spitze, sie sei eine „freundliche ältere Dame“. Den dritten Bewerber, Raju Sharma von der Linken, lobt er als angenehm und intelligent, Chancen habe der Mitarbeiter der Staatskanzlei aber nicht: „Er könnte mich sechs bis acht Prozent kosten, anderseits aber Wähler mobilisieren. Eine hohe Wahlbeteiligung ist für die SPD immer gut.“ Am Ende werde es sich zwischen ihm und Volquartz entscheiden – zwischen Wechsel und Stillstand, sagt Albig.

Würde Albig gewählt, wäre es für ihn ein Schritt zurück: In Kiel war er ab 2003 Stadtkämmerer. Es reize ihn, sagt er, „reale Politik“ zu machen, im Gegensatz zur virtuellen Politik unter der Berliner Glasglocke. Was man dort entscheidet, hat gewaltige Wirkung, aber sehen und anfassen lassen sich die Dinge an der Basis: „Die Mischfunktion zwischen Politik und Verwaltung, das ist spannend, das kann ich.“

Als erste Aufgaben, wenn er am Sonntag Volquartz schlagen sollte, hat er sich bodenständige Dinge vorgenommen: Einen neuen Führungsstil im Rathaus will er einführen und etwas für die Schulen und Kindergärten tun. Dafür will er in der Ratsversammlung werben, genau wie für ein „Sozialticket“, das nicht nur für Busse, sondern auch für Museen oder Schwimmbäder gilt. Das vertritt auch Raju Sharma. Albig sagt: „Weil die Linken das sagen, muss es nicht falsch sein.“

Noch bis Sonntag wird Albig kämpfen und egal wie es ausgeht: Viele Kieler kennen den Mann mit Schal inzwischen. Der Schal ist übrigens nicht SPD-rot, sondern grau-schwarz geringelt. Kein Statement, sagt Albig, einfach nur das Teil, das er im Herbst passend zur Winterjacke gekauft hat.