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Archiv-Artikel

Vier Maß und eine Schweinshaxe

Das tägliche Oktoberfest: Ein Besuch im Münchner Hofbräuhaus – unbedingt empfehlenswert!

Ein paar Gespräche darüber, wie es früher war, dass es seinerzeit besser war als heute, obwohl es uns allen damals trotzdem irgendwie schlechter gegangen ist als in diesen schweren Tagen. Dazu vier Maß und eine Schweinshaxn. Wichtig ist, dass man den Absprung findet. Rechtzeitig bevor in der Schwemme, der berühmten Bierhalle, der peinliche Dauerversuch, so etwas wie ein tägliches Oktoberfest zu inszenieren, in die heiße Phase geht, sollte man das Gelände des Hofbräuhauses verlassen haben. Oans, zwo, gsuffa? Pfui Deifi!

Wenn es in München heiß wird, wenn schwere Nachmittagsschwüle über der Innenstadt liegt, wenn man in der Fußgängerzone erledigt hat, was man erledigen wollte, wenn man ein wenig Abstand braucht von den Massen, die ihre riesigen Plastiktüten von Konsumhalle zu Konsumhalle wuchten, wenn man selbst seine Plastiktüten einmal abstellen will, dann muss man nicht weit gehen. Wenn man also ein wenig Ruhe braucht inmitten des hektischen Shoppingalltags, dann gehe man – doch, doch – ins Hofbräuhaus! Ein paar Schritte sind es vom Marienplatz zu dem Platz mit diesem schrecklich münchnerischen Namen, dem gar nicht einmal so kleinen Plätzchen, das Platzl heißt. Da steht es, das berühmte Wirtshaus.

Wer davorsteht, sich ein wenig umsieht und sich fragt, ob denn das Hofbräuhaus jetzt auch schon dieser Fett und Fleisch gewordenen Nouvelle Cuisine Bavaroise gehört, der sei beruhigt. Alfons Schuhbeck betreibt am Platzl einen Eisladen, wo es gefrorenen Kaiserschmarrn gibt, ein Lokal, das sauteuer ist, aber für jedermann und jedefrau sein soll, ein Restaurant, das noch sauteurer ist und einen Stern hat, sowie einen Alfons-Schuhbeck-Devotionalienshop, der sich Gewürzladen nennt. Das Hofbräuhaus gehört ihm nicht. In Schuhbecks Läden verkehren sie, die zu Aalen gegelten Arschlöcher und aufgebrezelten Botoxsquaws mit Indianerbräune im Gesicht, für die München andernorts in Deutschland oft so sehr gehasst wird.

Gar nicht erst hinschauen. Einfach rein ins Hofbräuhaus, nicht in die Hallen, durch einen gewaltigen Torbogen gelangt man in den urbansten Kastaniengarten der Stadt. Der Schweiß der aufgeheizten Großstadt trocknet schnell im Schatten der unerwartet riesigen Bäume. Ein kleiner Brunnen plätschert in dem von Arkaden umsäumten Innenhof. Der bayerische Löwe, der auf dem Brunnen sitzt, scheint freundlich auf die Gäste runterzuschauen. Die Bayern beißen nicht – hier nicht. Wer sich an einen der Tische setzt, Platz ist für 500 Leute, der will jetzt schnell ein Bier. 6,90 Euro kostet eine Maß Hofbräu Original. Ob man den Rieseneimer leer kriegt? Ein kleiner erster Schluck, kurz hochschauen, noch einmal ansetzen und es ein wenig laufen lassen. Durchatmen. Nachmittags schon Bier aus Literkrügen? Es ist Sommer. Wer kein kranker Latte-Macchiato-Junkie ist, wird das Gesöff genießen. Wenn sich nach der zweiten Maß der Hunger meldet, dann wird Fett bestellt. Die Schweinshaxe mit Knödel kostet keine zehn Euro. Beim dritten Bier löst sich die Zunge. Man redet nicht viel mit seinen Zufallbekanntschaften und muss auch nicht, wenn man nicht will. Wetter, Herkunft, gute alte Zeit. Man ist ja da, um zur Ruhe zu kommen. Es gelingt. Jetzt schnell an Schuhbeck-World vorbei. Dann war’s ein schöner Nachmittag. Garantiert. ANDREAS RÜTTENAUER