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Archiv-Artikel

Finanzwissen: Ungenügend

Studie der Commerzbank: Nur etwa 5 Prozent der Deutschen verfügen über ein „gutes“ oder „sehr gutes“ Wissen in finanziellen Fragen. Doch noch nicht mal die Anleger sind hinreichend im Bilde

Was ist der Unterschied zwischen einer Aktie und einem festverzinslichen Wertpapier? Was ist ein Aktienindex? Wer diese beiden Fragen nicht beantworten kann, steht nicht allein da: In einer Umfrage von NFO Infratest Finanzforschung wusste die Hälfte der um Auskunft Gebetenen nicht, dass man mit Aktien Anteile an einem Unternehmen erwirbt, mit festverzinslichen Wertpapieren jedoch einem Unternehmen lediglich Geld leiht – selbst 40 Prozent der Anleger unter den Befragten konnten die richtige unter mehreren möglichen vorgegebenen Antworten nicht nennen. Und dass ein Aktienindex kontinuierlich aus den Kursen der Aktien jener Unternehmen berechnet wird, die im Index enthalten sind, wussten zwei Drittel – und mehr als ein Drittel der Aktieninhaber – nicht zu beantworten.

Schon beim so genannten Orientierungswissen scheiterten drei Viertel der Befragten. So konnte jeder Zweite die zum Zeitpunkt der Befragung aktuelle Inflationsrate von 1,5 Prozent nicht richtig oder gar nicht nennen. Ebenso viele siedelten die Europäische Zentralbank irgendwo anders als an ihrem tatsächlichen Sitz in Frankfurt an.

Auftraggeber dieser im Frühjahr durchgeführten Studie mit dem Titel „Finanzielle Allgemeinbildung in Deutschland“ war die Commerzbank AG. Hintergrund ist die zunehmende finanzielle Eigenverantwortung, die den Deutschen abverlangt wird. Infratest befragte dazu 1.000 Bundesbürger im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Den Teilnehmern wurden 35 Fragen zu den Themengebieten Einkommen und Zahlungsverkehr, Kredite, private Vorsorge sowie Geldanlage vorgelegt.

Beim Thema Einkommen und Zahlungsverkehr schnitten die Befragten noch am besten ab. Drei Viertel konnten hier mehr als die Hälfte der Fragen richtig beantworten, wussten etwa – eine der einfachsten Fragen –, durch welche Abzüge vom Gehalt der Nettolohn zustande kommt.

Das Ergebnis insgesamt jedoch ist fatal. Nur etwa 5 Prozent der Befragten verfügten laut Studie über ein „gutes oder sehr gutes Wissen in finanziellen Fragen“ und konnten 80 Prozent oder mehr richtige Lösungen nennen. Zwar fühlten sich wiederum 80 Prozent der Befragten nach Selbsteinschätzung in Finanzfragen zumindest „einigermaßen sicher“. Gleichwohl konnten 42 Prozent die Hälfte aller Fragen nicht richtig beantworten. „Die Deutschen haben die Planung und Entwicklung ihrer Finanzen weniger im Griff, als sie glauben“, sondern hätten vielmehr „erhebliche Wissenslücken“, lautet denn auch ein Fazit. „Die finanzwirtschaftliche Grundbildung ist angesichts der auf die Konsumenten zukommende Herausforderung zu mehr Eigenverantwortung stark verbesserungsbedürftig.“

Während die Kenntnisse in alltäglichen Finanzfragen noch als „gut bis befriedigend“ bezeichnet werden, gebe es insbesondere beim Thema Geldanlage sowie im Bereich der privaten Vorsorge „deutliche Wissenslücken“. So konnten im Block „Altersvorsorge“ nur 37 Prozent weniger als die Hälfte aller Fragen richtig beantworten. Nur jeder Zweite etwa wusste, dass Sparguthaben von Bausparverträgen nicht allein fürs Häuslebauen, sondern für jeden beliebigen Zweck ausgegeben werden dürfen. Und nur jeder Dritte, so die Untersuchung, konnte den Ertrag eines monatlichen Sparplans aus einer Reihe von möglichen Vorgaben richtig nennen. Andererseits, so heißt es weiter, überschätzten „mehr als die Hälfte den Ertrag einer Einmalanlage oder die Höhe einer Rente“ anhand eines vorgegebenen Beispiels. Selbst knapp 40 Prozent der Besitzer einer Lebensversicherung sei unbekannt, dass diese nach zwölf Jahren steuerfrei ausgezahlt werden kann.

Gleichwohl fühlten sich 44 Prozent der Befragten in finanziellen Fragen ausreichend informiert und nur 28 Prozent beklagten einen Mangel an Informationen. Banken und Sparkassen genießen dabei mit mehr als 66 Prozent als Informationsquellen das größte Vertrauen, gefolgt von Gesprächen innerhalb der Familie (57 Prozent) und mit Freunden (46 Prozent). Aus Zeitungen beziehen immerhin 39 Prozent ihr Wissen. Nur drei Prozent gaben an, in der Schule etwas über den Umgang mit persönlichen Finanzen gehört zu haben – und mehr als die Hälfte fordert, dass allgemeine und auch berufsbildende Schulen künftig wesentlich mehr über finanzielle Angelegenheiten vermitteln sollten als bisher.

Volker Brettschneider, Privatdozent am Institut für ökonomische Bildung in Oldenburg, unter dessen wissenschaftlicher Leitung der Fragebogen entwickelt wurde, sieht darin einen „klaren Auftrag an den Staat, mehr für die finanzielle Bildung zu tun“. Auch Martin Blessing, Vorstandsmitglied der Commerzbank, erkennt großen Handlungsbedarf angesichts der wachsenden Notwendigkeit zu mehr Eigenvorsorge: „Je informierter und aufgeklärter der Kunde ist, desto besser kann er seine finanziellen Chancen wahrnehmen.“ ANDREAS LOHSE

www.commerzbank.de