: Lächeln auf den Barrikaden
Im Willy-Brandt-Haus sind zurzeit Fotos aus dem Spanischen Bürgerkrieg (1936–39) ausgestellt. Die Bilder zeigen unbeschwerte Momente, aber auch Propaganda, Kampfhandlungen und Kriegsleid
VON PHILIPP SAWALLISCH
Sie sind sichtlich angeheitert, die vier Soldaten, die auf republikanischer Seite gegen die nationale Armee Francos kämpfen. Zwei von ihnen schultern Weinflaschen, als wären es Gewehre, der Dritte zielt mit einer Flasche auf die Kamera, und der Vierte hält sich vor Lachen den Bauch.
Es ist eines der Fotos, die derzeit in der Ausstellung „Vom Spanischen Bürgerkrieg zum II. Weltkrieg“ im Willy-Brandt-Haus zu sehen ist. Die Fotografie der beschwipsten Soldaten stammt aus dem Herbst 1936. Zum Zeitpunkt der Aufnahme ist es drei Monate her, dass erzkonservative Generäle den Startschuss für den Aufstand gegen die ihnen verhasste Republik gegeben haben. Im Oktober 1936 hatten die Republikaner mit Hilfe von 40.000 Freiwilligen aus aller Welt und dem Aufgebot bewaffneter Bevölkerungsmassen Francos Vormarsch auf Madrid gestoppt. Nun waren sie selbst in der Lage, in die Offensive zu gehen. Angesichts ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit sah es so aus, als gäbe es genügend Gründe, um auf Barcelonas Ramblas zu feiern.
Die Unbeschwertheit in den Gesichtern der Soldaten ist das Verwunderlichste an den Fotos, die heute im spanischen Pressearchiv aufbewahrt werden, war der Kriegsalltag doch geprägt von Leichen, Läusen, verstopften Klos, Hunger und Müdigkeit. Doch davon ist den abgelichteten Soldaten nichts anzumerken. Auf einem Bild naschen zwei junge Gardistinnen Trauben, und säßen sie dabei nicht auf einer Barrikade, könnte man glauben, ihre Freunde würden sie gleich zum Kino abholen. Auf einer anderen Aufnahme beugen sich Kämpfer an der Front lachend über eine Zeitung, als gäbe es keine feindlichen Linien und keine Luftangriffe.
Die Aussicht auf einen Sieg über Francos Truppen war aber nicht der einzige Grund für die Aufbruchstimmung in der ersten Phase des Spanischen Bürgerkriegs. Parallel zu den Kämpfen ereignete sich etwas, das Hans Magnus Enzensberger in seinem gleichnamigen Roman den „kurzen Sommer der Anarchie“ nannte, wobei Sommer hier metaphorisch gemeint ist. Diese erste Phase des Spanischen Bürgerkriegs endete damit, dass moskautreue Kommunisten die Anarchisten mit dem Mittel der Gewalt 1937 als politische Kraft ausschalteten.
Zuvor hatten die Anarchisten auf dem Land den Großgrundbesitz an die Bauern verteilt und vielerorts Räte zur Selbstverwaltung gegründet. Als sie in einzelnen Regionen sogar das Geld abschafften, schien ein Menschheitstraum wahr geworden zu sein. In der Linken wurde Spanien zum Sehnsuchtsort erklärt. George Orwell, der als Kriegskorrespondent nach Spanien ging und schon bald selbst für die Trotzkisten zur Waffe griff, beschrieb die Stimmung mit den Worten: „Man hatte das Gefühl, plötzlich in einer Ära der Gleichheit und Freiheit aufgetaucht zu sein. Menschliche Wesen versuchten, sich wie menschliche Wesen zu benehmen und nicht wie ein Rädchen in der kapitalistischen Maschine.“ Dass es mit der Menschlichkeit auch auf republikanischer Seite seine Grenzen hatte, wenn es um die Behandlung des Feindes ging, ist kein Geheimnis. In der Ausstellung ist davon allerdings wenig zu sehen. Lediglich auf einem Foto sieht man einen Pfarrer mit dem Ausdruck kalten Entsetzens kurz vor seiner Hinrichtung. Da sich die Kirche fast geschlossen hinter die Putschisten stellte, gehörte sie zum Hauptfeind der Republikaner.
Aufnahmen von den Putschisten dokumentieren die zweite Phase vom Frühjahr 1937 bis zu Francos Sieg 1939. Die Aufteilung in verschiedene Phasen erscheint sinnvoll. Franco bestimmte ab 1937 mit Hilfe von Mussolinis Truppen und Hitlers Fliegerstaffel, der berüchtigten Legion Condor, den weiteren Kriegsverlauf. In diesem zweiten Teil der Ausstellung ist von der Bevölkerung, die mehrheitlich hinter der Republik stand, wenig zu sehen. Nur auf einem Bild stehen Dorfbewohner während einer Militärparade stramm in Reih und Glied und recken die Arme zum Hitlergruß. Ansonsten sieht man nur Militärs in Stulpenstiefeln und weißen Handschuhen, auf Paraden und Patrouillen, vor wehenden Fahnen und Standarten. Und die Geräte, die den Krieg entschieden haben: Panzer und Flugzeuge. Der Idealismus der Republikaner wurde vom Mündungsfeuer moderner Waffen und im Bombenhagel deutscher Flugzeuge zunichte gemacht. Das ist die banale Erkenntnis des dreijährigen Bürgerkrieges, dass er eben nicht von den Menschen entschieden wurde, sondern durch das Material.
Nach Kriegsende holten Truppentransporter die dekorierten Soldaten der deutschen Fliegerstaffel heim. Unter den Schiffen, die vor der spanischen Küste lagen, war übrigens auch die „Wilhelm Gustloff“, heute Sinnbild für deutsche Zivilschiffe, die von Alliierten versenkt wurden. Franco bedankte sich bei Hitler für die Unterstützung, indem er ein Freiwilligencorps in den Zweiten Weltkrieg entsandte. Auf einem der letzten Fotos der Ausstellung drängen sich Menschen am Bahnhof und winken ihren Angehörigen im abfahrbereiten Zug. Viele von ihnen werden eiihre Verwandten in Uniform am Bahnsteig zum letzten Mal sehen. Das Zugziel ist die Ostfront.
„Vom Spanischen Bürgerkrieg zum II. Weltkrieg.“ Bis zum 3. April, Di.–So. 12–18 Uhr im Willy-Brandt-Haus, Stresemannstr. 28. Eintritt frei, Ausweis erforderlich