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Archiv-Artikel

Aufwärmen vor der Finanzbehörde

Gewerkschaften und von Kürzungen Betroffene protestieren auf dem Gänsemarkt gegen „unsoziale“ Sparpolitik des Senats. Ver.di-Chef Rose kündigt „heißen Herbst“ an und fordert konsequenteres Eintreiben von Steuern, um Einnahmen zu erhöhen

Von Alexander Diehlund Markus Jox

Die Sonne strahlte bereits spätsommerlich auf den Gänsemarkt herab, als dem Hamburger Senat gestern Vormittag in einer öffentlichen Pressekonferenz ein „heißer Herbst“ angekündigt wurde. In einem offenen Zelt vor der Finanzbehörde übten die Vertreter zahlreicher Gewerkschaften und betroffener Institutionen teils heftige Kritik an den Ausgabenkürzungen, wie sie der Entwurf für den Doppelhaushalt 2005/06 vorsieht, den der CDU-Senat am Mittwoch in die Bürgerschaft einbringen möchte.

Senat und Finanzbehörde kassierten „auf der Ausgabenseite gnadenlos und unbarmherzig bei den sozialen, kulturellen und bildungsmäßigen Leistungen und den Schwächsten ab“ und verstärkten so die „soziale Polarisierung“ in der Stadt, wetterte Hamburgs Landesvorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Wolfgang Rose, der Gastgeber im Zelt.

Zugleich mahnte er eine andere Politik auf der „Einnahmeseite“ an: Allein mit der Einstellung von 200 zusätzlichen Betriebsprüfern in der Finanzbehörde könne der Senat Mehreinnahmen von etwa 150 Millionen Euro pro Jahr erzielen – den derzeit 450 Betriebsprüfern stehe „ein riesiges Potenzial an nicht gezahlten Steuern gegenüber“. Durch fehlendes Personal fänden Prüfungen vor allem bei Großunternehmen teilweise erst mit zehn Jahren Verzögerung statt, so Rose.

Die Einführung von Vermögens- und neuer Erbschaftssteuer würde sogar 500 Millionen in die städtischen Kassen spülen, sagte der ver.di-Chef. „Die Regierung Ole von Beusts tut viel, um Arme und Schwache ärmer und schwächer zu machen.“ Gehe es jedoch darum, „Vermögensmillionäre und Steuerhinterzieher an die Gemeinschaftskasse zu bringen“, lege der Senat die Hände in den Schoß: „Dies ist die unsozialste Regierung, die ich je erlebt habe.“

Um „Fleisch und Blut sowie Gesicht“ des dickleibigen Haushaltsentwurfs zu zeigen, ließ Rose Vertreter von „zehn exemplarischen Bereichen, die von der Sparpolitik besonders betroffen sind“, zu Wort kommen. Angefangen von der Stiftung Berufliche Bildung über die Berufsfeuerwehr, Frauenhäuser und Schwimmbäder, Kitas, Schulen und der Volkshochschule bis hin zur Drogenberatung, den öffentlichen Bücherhallen sowie connex.av, einer Interessenvertretung von Medien- und Filmschaffenden, berichteten die Vertreter über die teils existenziell bedrohlichen Kürzungen ihrer Etats.

Demonstrieren sollte diese Runde auch das gemeinsame Anliegen: Keinesfalls, betonte Rose, werde man sich auseinander dividieren lassen nach dem Motto „Nehmen wir dem einen etwas weg und geben es dem anderen, weil der mehr Druck gemacht hat.“

Um das Zelt herum sollten Schilder und beschriftete Kartontürme auf Kritik und Befürchtungen aufmerksam machen. Zu einer rechten Diskussion mit Passanten kam es dabei allerdings kaum. Die eigentliche Konferenz war gerade beendet, da wurden das Zelt, die Frauenhaus-Drachin und das „Monopoly für Arme“ wieder eingepackt. Auf dem Gänsemarkt, so eine Beteiligte, „wird es jetzt einfach zu heiß“. Als alle Spuren der Aktion verschwunden waren, war es ziemlich genau fünf Minuten vor zwölf.