berliner szenen Für immer Beton

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Soll man die Toten Hosen bedauern oder bewundern? Da laden sie zur ziemlich unpunkigen Zeit von 10.30 Uhr morgens ins neue MTV Europe Headquarter in den Spreespeicher. Sitzen breitbeinig im Spagat zwischen Kommerzkacke und „100 % Authentizität“ (Head of Production & Programming MTV Central Europe Elmar Ginglinger), mit Moderator Markus Kavka im Studio bei der Pressekonferenz. Fühlen sich allerdings vor der Journaille wie „im Zoo“ und sagen Sachen wie: „Ich filme mich in der Küche, stelle aber nicht meine Küche vor“ (Campino). Oder auch: „Das hat nichts mit ‚Big Brother‘ oder den ‚Osbournes‘ zu tun.“

Später draußen beim Einzelinterview vor der Spreespaßeventkulisse zieht sich der ach so kamerascheue Herr Breiti dann schon das dritte Hemd für das dritte Kamerateam über, und Campino lässt sich die Wimpern pinseln. Leider kommt das dort geparkte silberne Mercedes-Cabrio mit Kennzeichen M-TV nicht ins Bild.

Ab Mitte September machen die Hosen eine weekly Doku-Soap über sich selbst bei MTV, die „Friss oder stirb“ heißt. Geplant sind 22 Folgen (wahrscheinlich weil’s die Hosen seit 22 Jahren gibt), von denen etwa drei bis sieben schon fertig sind. Je nachdem, wie kurz MTV das alte Videozeugs vergangener Touren, besoffene Statements im malerisch unaufgeräumten Hotelzimmer in Belgrad, Besuche bei den Eltern oder Ausflüge zum Golfen oder Fallschirmspringen zusammenschnippelt. Bei der Rückreise bewundert man die Betonkranfahrer aufrichtig dafür, dass sie eingeklemmt zwischen MTV und Universal nicht durchdrehen und die silbernen Cabrios mit Beton zuschütten. (Würde sicher sofort als authentischer kreativer Akt gefilmt und versendet.) ANDREAS BECKER