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Archiv-Artikel

Einheitlichkeit und Recht auf Einwegpfand

Verbraucherzentrale fordert Durchsetzung eines einheitlichen Rücknahmesystems. Trittin verteidigt Regeln in Brüssel

BERLIN taz ■ Am 1. Oktober ist die Übergangsfrist für die Einführung des Einwegpfands beendet. Doch wer hofft, endlich überall seine Dose zurückgeben zu können, der irrt. Teile des Einzelhandels verweigern sich immer noch einem einheitlichen Rücknahmesystem. Vier verschiedene „Gemeinschafts“-Rücknahmesysteme konkurrieren. Jedes muss aber alle Einwegverpackungen zurücknehmen.

Schlupflöcher sind so genannte Insellösungen – individuelle Rücknahmesysteme einzelner Handelsketten. Dosen von Aldi können beispielsweise auch nach dem 1. Oktober nicht bei Lidl abgegeben werden. Denn laut Verpackungsverordnung müssen Händler nur solche Verpackungen zurücknehmen, die in Art, Form und Größe ihrem Sortiment entsprechen.

„Ein Riesenschlupfloch“, sagte Edda Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundesverband, gestern in Berlin. Die Bundesregierung müsse diese Hintertür bei der Novelle der Verpackungsverordnung schließen. Die Novelle stößt bei Verbraucherschützern auf scharfe Kritik. Sie sieht vor, dass künftig die Verpackung und nicht mehr der Inhalt über die Pfandpflicht entscheidet. Indem ökologisch vorteilhafte Einwegverpackungen vom Pfand befreit würden, werden aber Mehrwegverpackungen benachteiligt, kritisierte Clemens Stroetmann von der Stiftung Initiative Mehrweg.

„Nur ein flächendeckenes Rücknahmesystem ist auch europatauglich“, sagte Müller zum in Brüssel anhängigen Verfahren. EU-Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein hält die komplizierten, uneinheitlichen Rücknamesysteme für eine Benachteiligung ausländischer Wettbewerber. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) ist deswegen gestern nach Brüssel gereist, um die deutsche Pfandregelung zu verteidigen. Trittin vor einem Treffen mit Bolkestein: „Die Umsetzung führt nicht dazu, dass irgendjemand auf diesem Markt am Zutritt gehindert wird.“

Nach Schätzungen der Verbraucherschützer verdiente der Handel bislang mindestens 375 Millionen Euro an nicht eingelöstem Pfand. Finanzminister Hans Eichel habe durch den „Pfandschlupf“ – über die abgeführte Mehrwertsteuer – fast 52 Millionen Euro eingenommen. „Wir verlangen, dass dieses Geld auf ein Treuhandkonto überwiesen wird“, so Müller.

Vom 1. Oktober an wollen die Verbraucherzentralen Handelsketten überprüfen und abmahnen, falls sie andernorts gekaufte Dosen und Einwegflaschen nicht annehmen. Auch Klagen seien denkbar. Es drohten Bußgelder bis 50.000 Euro. Müller forderte die Verbaucher auf, sich mit einem Musterbrief bei den zuständigen Länderbehörden zu beschweren, falls Ladenketten die Annahme verweigerten.

Unterdessen ist beim Bundeskartellamt eine Beschwerde über eines der vier Rücknahmesysteme – das Vwf-System – eingegangen. Beschwerdeführer ist der Großhändler Lekkerland-Tobaccoland, der ein anderes System einführt. Hintergrund ist die Entscheidung von Bund und Ländern, nach dem 1. Oktober doch noch Pfandcoupons zu akzeptieren. MATTHIAS ANDREAE

Musterbrief: www.vzbv.de