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Archiv-Artikel

Unqualifiziert – aber geeignet für die Kitas

Kinderbetreuung kann angeblich fast jeder: Langzeitarbeitslose 1-Euro-Jobber sollen in Kindergärten

BERLIN taz ■ SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement hatte einmal eine Idee: Es gibt so viele arbeitslose Ingenieure und Erzieherinnen – warum sollten sie nicht für 1 bis 2 Euro pro Stunde in Schulen oder bei der Kinderbetreuung aushelfen?

Inzwischen klingt die Idee ein wenig anders, wie sich gestern zeigte, als sich Gesundheitsministerin Ulla Schmidt und Familienministerin Renate Schmidt (beide SPD) mit den großen Wohlfahrtsverbänden trafen. Nun will man ausdrücklich „unqualifizierte“ Langzeitarbeitslose anheuern, „die geeignet sind“. Doch das sind recht viele: „Wer ein Kind großgezogen hat, der ist qualifiziert in der Kinderbetreuung, auch wenn er keine pädagogische Ausbildung hat“, sagte Manfred Ragati von der Arbeiterwohlfahrt. Allerdings: Die Wohlfahrtsverbände dürfen ungeeignete Bewerber ablehnen.

Dass nun nicht qualifizierte Erzieherinnen, sondern unqualifizierte Eltern in die Kindertagesstätten einrücken sollen, liegt recht nahe: Die geringe Mehraufwandsentschädigung lässt sich nur rechtfertigen, weil die Langzeitarbeitslosen auch eine Qualifikation erhalten sollen. Doch ist nicht erkennbar, wie es eine ausgebildete Kindererzieherin weiter fördern kann, wenn sie Hilfstätigkeiten in einem Kinderhort ausführt.

Die Wohlfahrtsverbände sollen pro „Fall“ durchschnittlich 500 Euro monatlich erhalten. Davon sind 300 Euro für den Träger – für „Overhead-Kosten“ und Qualifizierung. Durchschnittlich 200 Euro bleiben für die monatliche Mehraufwandsentschädigung, die zusätzlich zum Arbeitslosengeld II und den Unterkunftskosten gezahlt wird.

Zwar sind „bis maximal 320 Euro“ möglich, wie Ulla Schmidt ausführte. Dies entspräche einer Vollzeitstelle, bei der die Mehraufwandsentschädigung 2 Euro pro Stunde beträgt. Doch so viel dürfte es real selten sein: Die Bundesagentur hat bereits im August Eckpunkte herumgeschickt, in denen Mitarbeitern eingeschärft wurde, dass „höchstens 1,50 Euro pro Arbeitsstunde“ einzuplanen sind. Und noch ein Hinweis wurde gegeben: Wer wöchentlich mehr als 15 Stunden in einem 1-Euro-Job tätig ist, gilt nicht als arbeitslos.

Die Bundesregierung will künftig etwa 600.000 zusätzliche Jobs für Langzeitarbeitslose schaffen. Davon sind 60.000 schon vorhanden – unbesetzte Zivi-Stellen. Die Wohlfahrtsverbände sagten gestern zu, dass sie zudem weit über 10.000 Arbeitsplätze anbieten könnten. Das mag wenig klingen angesichts der angepeilten Zahlen, aber Ulla Schmidt blieb optimistisch: „Es gibt ja auch noch die kommunalen Träger, den Kultur- und Umweltbereich.“ ULRIKE HERRMANN

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