: „Wir sind nicht blauäugig“
Der neue Besitzer des Theaters im Zimmer und sein Leiter setzen auf ein „für den Genuss offenes Publikum“
von Caroline Mansfeld
Noch wird im Produktionsbüro am Mittelweg eifrig an Ideen gebastelt. Doch Peter Kühn, neuer Leiter des Theaters im Zimmer, und sein Sprecher zeigen sich angesichts des Chaos in der Villa hanseatisch aufgeräumt. Sie sehen gar nicht wie zwei weitere Verrückte aus, die sich mit einem Privattheater finanziell ruinieren wollen. Auch wenn das Fernbleiben der Kultursenatorin bei der Pressekonferenz schmerzt. „Wir sind nicht verbittert. Wir sind im Gegenteil sehr gut gelaunt. Wir haben das Finanzkonzept immer unabhängig von Subventionen geplant. Trotzdem wäre ideelle Unterstützung schön gewesen“, bekennt Sprecher Christian Engelbrecht. Und Kühn beklagt, sich nicht gewollt zu fühlen. „Immerhin schaffen wir 30 Arbeitsplätze. Das wird ein Standortmagnet, der unter den Sehenswürdigkeiten Hamburgs geführt wird.“
Am 20. November ist es soweit. Dann soll mit der Premiere von Tamara das Theater im Zimmer wiedererstehen. 1999, vier Jahre vor ihrem Tod, hatte Gerda Gmelin das Theater aus Altersgründen aufgegeben. Fortan moderte die Villa ihrem Verfall entgegen. Mehrere Hamburger Privattheater buhlten um das Objekt. Doch erst der Hamburger Medienunternehmer Richard Kunicke, Chef der VAP Video Audio Print GmbH und Betreiber des Medienzentrums am Rotherbaum, zahlte im vergangenen Jahr den stolzen Preis von 1,5 Millionen Euro. Kunicke holte den zahlungskräftigen Hamburger Medienunternehmer Frank Otto ins Boot. Und der hatte eine Vision: Vor Jahren hatte Otto John Krizancs Theaterstück Tamara in New York gesehen, das ihm das „intensivste Theatererlebnis seines Lebens“ bescherte. Das Stück über die Beziehung der Art-Déco-Malerin Tamara de Lempicka zum italienischen Dichter Gabriele d‘Annunzio mutierte in den USA zum Dauerseller. Zehn Jahre lang lief es in Los Angeles, weitere fünf in New York. Das Stück handelt vom Werben des Dichters um die Malerin in den zehn Räumen seiner Villa im Jahre 1927.
Die Vision der deutschsprachigen Erstaufführung von Tamara lassen sich die Betreiber einiges kosten. Zu dem Kaufpreis addieren sich weitere zwei Millionen Euro für den Umbau des denkmalgeschützten Hauses. Ausschließlich finanziert aus privaten und Sponsorengeldern. Dafür wird eine der 120 Karten auch rund 98 Euro kosten, inklusive eines „hochwertigen kulinarischen Intermezzos“.
In dem freien Theaterregisseur Peter Kühn fand sich ein erfahrener Direktor, der sich seine Sporen als Regieassistent bei Peter Zadek verdient hatte. Später inszenierte er in Bremen, Göttingen, Wien und Frankfurt. Kühn glaubt an Tamara: „Es ist ein positives kulturelles Freizeiterlebnis, das man nicht vergisst.“ Als Zuschauer wünscht er sich ein „anspruchsvolles, für Genuss offenes Publikum“. Vielleicht auch einen „Teil des Musicalpublikums“, oder der „vom rezeptiven Theater Enttäuschten“.
Theaterbetreiber Helmuth Gmelin hatte schon in den 40er Jahren von einem „Theater ohne Vorhang und Rampe“ geträumt. Nach seinem Tod 1959 führte Tochter Gerda Gmelin die Bühne mit mutigen Inszenierungen, wie 1988 dem ersten Koltès oder 1969 Edward Bonds Gerettet weiter. Opernregisseur Hans Neuenfels inszenierte hier. Boy Gobert und Ulrich Wildgruber legten ihre ersten Bühnenauftritte hin. „Für Theater braucht man immer Mut“, erzählt Kühn, „Das ist das Grundprinzip von Leben, und das findet hier pur statt. Wir sind aber nicht blauäugig.“ Nun stürzt er sich ohne die Hilfe der Kulturbehörde in das Abenteuer Theater. Eine Auskunft hat ein Anruf dort immerhin gebracht. Die Telefonnummer der Hamburger Tourismus-GmbH.
Premiere „Tamara“: 20.11., Theater im Zimmer, Alsterchaussee 30. Karten unter Tel.: 44 88 44 oder www.tamara.de