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Archiv-Artikel

Angriff auf Gaza

Mit einem Luftangriff auf ein Trainingslager der Hamas reagiert Israel auf die jüngsten Selbstmordanschläge. Dschihad und Hamas schwören Rache

AUS JERUSALEM ANNE PONGER

Die radikalen Islamistengruppen Hamas und Islamischer Dschihad haben blutige Vergeltung für einen israelischen Luftangriff auf ein Hamas-Trainingslager in Gaza angekündigt, bei dem in der Nacht zum Dienstag 14 Palästinenser getötet und 30 verletzt wurden. Am Dienstagmorgen fielen sechs Kassam-Raketen und vier Granaten auf jüdische Siedlungen im Gaza-Streifen und die Stadt Sderot in der westlichen Negev-Wüste.

Im Laufe des seit vier Monaten schwersten israelischen Angriffs in Gaza, bei dem neben Kampfflugzeugen und Hubschraubern auch Panzer und Raketen eingesetzt wurden, wurde ein Hamas-Zentrum im Vorort Schidschaiya von Gaza-Stadt beschossen. In der Anlage waren um Mitternacht dutzende Mitglieder der Hamas-Miliz Issedin-al-Kassam versammelt. Der israelische Militärsprecher erklärte, dort seien in den letzten Tagen sowohl Westen für Selbstmordattentäter und andere Bomben hergestellt als auch Fahrzeugentführungen geübt worden. Das Schifa-Krankenhaus in Gaza war durch die Verwundeten, unter denen nach palästinensischen Angaben auch Zivilisten waren, völlig überlastet. Premier Ariel Scharon und der Sicherheitsapparat hatten letzte Woche beschlossen, die gezielte Tötung von Hamas-Aktivisten wieder aufzunehmen, nachdem Hamas die Verantwortung für den Selbstmordanschlag von Beerschewa übernommen hatte. Dabei waren 16 Israelis getötet worden.

Rund 50.000 Palästinenser nahmen am Vormittag an der Bestattung der Todesopfer teil, wobei dutzende vermummte Bewaffnete lauthals Rache schworen. Hamas-Sprecher Muschir al-Masri versicherte: „Dieses hässliche israelische Verbrechen wird nicht ungesühnt bleiben.“ Der Islamische Dschihad schloss sich mit der Erklärung an, der Feind werde „mit Strömen von zionistischem Blut und Leichen in den Straßen von Jerusalem, Tel Aviv und Hadera bezahlen“. Selbst der palästinensische Ministerpräsident Ahmed Kreia warnte Israel vor einer „berechtigten Rache“ von Hamas.

Nach dem Anschlag in Beerschewa hatten israelische Politiker unmissverständliche Drohungen an Syrien gerichtet, das der Hamas als Rückzugsort dient. Während der erwartete Militärschlag gegen Ziele in Damaskus bisher vermutlich aus politischen Gründen ausblieb, erfolgten Massenverhaftungen in Hamas-Kreisen in Hebron, dem Herkunftsort der Attentäter. Obwohl die Militäraktion in Gaza eine übliche Reaktionsweise der israelischen Truppen darstellt, sprechen Militärexperten in den Medien von einer neuen Strategie, für die man gesteigerte Kritik erwartet. Während Israel bisher einzelne Hamas-Führer gezielt getötet hat, wurde Dienstagnacht erstmals eine „gezielte Massentötung“ durchgeführt. Das könnte für Israel unerwünschte politische Konsequenzen haben. Ägypten, das sich bemüht, vor Israels einseitigem Rückzug die Palästinenser zu einem Waffenstillstand zu bewegen, hat sein Trainingsangebot an die Sicherheitskräfte der Palästinenserbehörde in Gaza zurückgezogen.