Grünes Grab für die Vermögensteuer

Im Auftrag der Grünen berechnen Wirtschaftsforscher eine neue Steuer auf Kapital, Immobilien und Firmenanlagen. Erwartete Einnahmen: bis zu 7,2 Milliarden Euro. Doch lehnen die grünen Wirtschaftsliberalen die zusätzlichen Belastungen für Reiche ab

VON HANNES KOCH

Eine Vermögensteuer für wohlhabende Bürger habe große Nachteile und nur geringe Vorteile. Zu diesem Ergebnis kommen Wirtschaftsforscher im Auftrag der Grünen. Für den wirtschaftsliberalen Flügel der Partei um Christine Scheel und Fritz Kuhn hat die Vermögensteuer damit keine Chance mehr. Die Linksliberalen um Christian Ströbele wollen weiterhin versuchen, eine beschränkte Umverteilung von oben nach unten zu erreichen.

Das gestern vorgestellte Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der Berliner Humboldt-Uni und der Uni Paderborn geht auf einen Beschluss des Dresdner Parteitags der Grünen im November 2003 zurück. Nach heftigem Streit hatte sich die Partei damals auf Grundlinien einer neuen Vermögensteuer geeinigt. Wohlhabende sollten einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten, wobei man die meisten Personen und Kapitalgesellschaften nicht zusätzlich belasten und vor allem mittelständische Firmen nicht strangulieren wollte. Zur Zeit wird eine Vermögensteuer in Deutschland nicht erhoben.

Auf der Basis des Parteitagsbeschlusses haben die Gutachter verschiedene Modelle entwickelt. Ihnen gemeinsam ist der Steuersatz auf Privat- und Betriebsvermögen von einem Prozent. Außerdem gibt es verschiedene Freibeträge: Betriebsanlagen von Firmen bis zu einem Wert von zwei Millionen Euro werden nicht besteuert, Erwachsene bekommen pro Person einen Freibetrag von 200.000 Euro, Kinder 50.000 Euro. Eine vierköpfige Familie darf also 500.000 Euro Vermögen steuerfrei besitzen. Die zusätzlichen Einnahmen für den Staat liegen je nach Berechnungsmodell zwischen 3,7 und 7,2 Milliarden Euro.

Die meisten Steuerpflichtigen – drei bis vier Millionen Bundesbürger und Firmen wären betroffen – würden nicht mehr zahlen als heute. Denn die neue Vermögensteuer wird auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer angerechnet. Zusätzlich zur Kasse gebeten würden nur diejenigen, die heute überhaupt keine Ertragsteuer entrichten, weil sie ihre Einkommen und Gewinne durch Verluste an anderer Stelle auf null rechnen. In diesen Fällen würde die Vermögensteuer als Mindeststeuer wirken: Das eine Prozent auf das Betriebsvermögen einer Firma oder den Wert einer Villa muss man auf jeden Fall bezahlen – Abschreibung von Verlusten hin oder her.

Schade für die Linksliberalen: Diese zusätzliche Belastung widerspricht dem Prinzip der grünen Wirtschaftspolitiker, die Gesamtbelastung mit Steuern zu senken und nicht zu erhöhen. Fritz Kuhn verwies auf Unternehmen, die tatsächliche – keine fiktiven – Verluste erwirtschaften und trotzdem Vermögensteuer zahlen müssten. „Das hat unkalkulierbare Wirkungen für die Arbeitsplätze“, so Kuhn. Der Wirtschaftspolitiker kommt aus Baden-Württemberg, ihm liegen die Interessen des dortigen Mittelstandes am Herzen. Laut Scheel könnte die Vermögensteuer „unerwünschte Nebenwirkungen“ haben – etwa Kapitalflucht. Holland fährt währenddessen gut mit einer speziellen Vermögensteuer in Höhe von 1,2 Prozent. Durch ein ähnliches Modell würde der Bund 10,5 Milliarden Euro erwirtschaften.

Christian Ströbele strebt nunmehr einen weiteren Parteitagsbeschluss an. Auch Fritz Kuhn und Christine Scheel halten am Ziel eines „gerechten Steuersystems“ fest. Sie wollen einen neuen Vorschlag zur Erbschaftsteuer machen und Abschreibungsmöglichkeiten bei den Ertragsteuern verringern. Außerdem will Kuhn die Idee eines erhöhten Solidaritätszuschlages für Großverdiener prüfen.

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