„Eine Hälfte von mir bleibt hier“

Mit Erinnerungsveranstaltungen würdigt Köln die Zeit der Anwerbungen. Viele „Gastarbeiter“ wollen zurück in ihre Heimat, bleiben aber hier – der Kinder wegen

Köln taz ■ „Eines Tages geht eine Hälfte von mir nach Portugal, eine bleibt hier“, erzählt José Araújo und zeigt beim Lächeln eine charmante Zahnlücke. 30 Jahre lebt der 54-Jährige nun schon in Deutschland, ist einer der „Gastarbeiter“, die die Bundesrepublik in den Jahren 1955 bis 1973 anwarb. Rund 57.000 arbeiteten 1972 allein in Köln.

Aus der Arbeitskraft auf Zeit ist ein Einwanderer geworden. Bleiben wollte ursprünglich keiner, und in Deutschland freute man sich hauptsächlich über freundliche Fremde, die die Wirtschaft ankurbelten. Stellvertretend dafür bekam Armando Rodrigues de Sá am 10. September 1964 das berühmte Moped, das heute im Bonner Haus der Geschichte zu sehen ist. „Begrüßt wurde die einmillionste Arbeitskraft, weniger der Mensch“, meinte NRW-Staatssekretärin Cornelia Prüfer-Storcks bei der gestrigen Eröffnung einer zweitägigen Erinnerungsveranstaltung im Bahnhof Deutz.

Oscar Calero war bei der Begrüßung Rodrigues‘ im September 1964 als Sozialbetreuer dabei. Als Student war er 1959 aus Spanien eingereist, um „ein, zwei Monate Geld zu verdienen“ und sein Studium zu finanzieren. Er konnte schon Deutsch und durfte am Deutzer Bahnhof Koffer schleppen. „Man hatte mir gesagt, da kommen Frauen mit einer Menge Gepäck“, erinnert sich Calero an die „siebzig Stufen rauf, siebzig runter“.

Jahre später trifft in Deutz auch Rosa Peixoto ein. Sie war erst 16, als sie im Oktober 1969 in Porto in den Sonderzug stieg, der sie nach Köln zu ihrer Schwester und deren Mann bringen sollte. Anfangs konnte sie kein Wort Deutsch und putzte in einer Klinik. Später wechselte sie dann mehrmals die Arbeitsstelle. Die ersten zwei Jahre seien sehr schwierig gewesen, meint die zierliche Frau heute. „Ohne meine Schwester hätte ich das nicht durchgestanden.“ Als es mit der Sprache besser klappte, habe sie sich immer wohler gefühlt. Eines Tages tauchte im portugiesischen Kulturverein ein junger Mann aus ihrer Heimatstadt auf: José Araújo. „Er spielte E-Gitarre und forderte mich immer wieder zum Tanzen auf“, erzählt Peixoto. Vier Jahre später heiratete sie „Gué“, der in Köln bei der Deutschen Post arbeitet.

Beide wollen immer noch nach Portugal zurück. Nur der Kinder wegen ziehen sie nicht fort. Später, im Ruhestand, werden sie das Jahr aufteilen: „Sechs Monate Portugal, sechs Monate Deutschland.“ Ruth Helmling

Die Erinnerungsveranstaltungen beschließt eine Filmdokumentation mit Fundstücken aus dem WDR-Archiv, zusammengestellt von Paul Hofmann. Heute, 18 bis 20 Uhr, im Kölner Kino in der Brücke, Hahnenstr. 6.