: Wider den Normalzustand
Die „Feministischen Widerstandstage“ wehren sich gegen die Ansicht, dass privater Profit bestimmt, was politisch ist
Die autonomen Frauenhäuser in Deutschland wehren sich. Denn in vielen Städten der Republik werden ihnen die Zuwendungen gekürzt. Deshalb rufen sie zusammen mit anderen Initiativen von Donnerstag bis Samstag die „Feministischen Widerstandstage“ in Berlin aus. Dass der Protest nicht im Verborgenen geschehen soll, zeigen die für Frauen ungewöhnlichen Aktionsformen. Mit einem Autokorso wird bei der Eröffnung Präsenz gezeigt. Der Korso beginnt am Schlossplatz, auf dem während der Tage zwei große Zelte aufgebaut sind. Dort sind bis zur Abschlussdemonstration am Samstag weitere Aktionen geplant.
Die Kürzungen der staatlichen Zuwendungen sind teilweise gravierend: In Hessen hat die Landesregierung ohne jegliche Vorankündigung und Verhandlung auf einen Schlag acht Frauenhäuser auf null gesetzt. In Hamburg sollen dem autonomen Frauenhaus zum 1. Januar 2005 die Zuschüsse gestrichen werden. Und in Berlin droht dem zweiten Frauenhaus das Aus – erst gestern beschloss der Frauenausschuss des Abgeordnetenhauses eine existenzbedrohende Mittelkürzung.
„Mit so rigiden Kürzungen stehen die gesamten Errungenschaften und Anliegen der Frauenbewegung auf dem Spiel“, sagt Inge Kempf, Pressesprecherin der Widerstandstage. Dass Frauenprojekte aktuell in besonderem Ausmaß von Streichungen betroffen sind, sei kein Zufall, sondern ein Symptom für einen Gesellschaftsumbau, der privaten Profit politisch befördert, sagt Kempf. „Deshalb reicht es nicht, die Kürzungen in den Frauenprojekten für sich zu thematisieren. Sie müssen in Zusammenhang gestellt werden mit Sozialabbau, Flüchtlingspolitik, Agenda 2010 und den gesellschaftlichen Geschlechterzuschreibungen.“
Ziel der feministischen Bewegung war es, deutlich zu machen, dass das Private politisch ist. Heute dagegen gelte: „Der private Profit bestimmt, was politisch ist“, wie eine Teilnehmerin sagt. Denn derzeit werde nicht nur die gesamte öffentliche Infrastruktur zerschlagen; auch der gesellschaftliche Konsens darüber, was als privat gilt und was als öffentlich, verschiebt sich: „Ob Wasser, ob Gesundheit, ob Altersversorgung – nichts bleibt mehr öffentliches Anliegen“, meint Kempf. Solche Zusammenhänge sollen bei den Widerstandstagen thematisiert werden. „Wir finden es zynisch, dass die sozialen Projekte und die kommunale Versorgung mit dem Verweis auf die leeren öffentlichen Kassen zusammengestrichen werden, während beispielsweise die Rüstungsausgaben in Deutschland stetig steigen und Gewinne von Konzernen staatlich abgesichert werden“, argumentiert Kempf.
Die Feministischen Widerstandstage, die Frauen und Menschen ansprechen wollen, die sich keinem Geschlecht zuordnen, sollen ein Treffpunkt zur Vernetzung und zur Entwicklung von neuen Protestformen werden. Dabei wird Wert darauf gelegt, dass in weltweiten Zusammenhängen gedacht wird. Eine Veranstaltung etwa widmet sich der Frage, was das internationale Dienstleistungsabkommen „Gats“ der Welthandelsorganisation (WHO) mit der aktuellen Situation der Frauenprojekte in der Bundesrepublik zu tun hat.
Auch die Sozialreform Hartz IV und ihre Auswirkungen auf MigrantInnen und Flüchtlinge, auf Frauen mit Behinderungen und auf von Gewalt betroffene Frauen wird diskutiert. „MigrantInnen und Flüchtlinge werden durch Hartz IV speziell benachteiligt“, sagt Monika Hermann, die juristische Beratungen zu Hartz IV macht und an der Diskussionsrunde teilnehmen wird: „Sie werden ins Asylbewerberleistungsgesetz abgeschoben und verlieren den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe II. Das kommt einer 30-prozentigen Kürzung der Sozialhilfe gleich. So werden gerade Flüchtlinge noch einmal mehr aus dem sozialen Netz herausgedrängt.“
Mit der Ausstellung „Grenzenlos und unverschämt“ wird zudem auf die Situation von illegalisierten Frauen in Deutschland aufmerksam gemacht. Die Kürzungen in den Frauenprojekten „sind bezeichnend für einen Normalzustand, der immer mehr Menschen ins Abseits und in die Armut drängt“, so die Mitarbeiterin von ZIF.
Treffpunkt der Tage ist der Schlossplatz – gleich gegenüber vom Außenministerium und der geplanten Privathochschule für Manager, an der groß das Transparent „Learning for Leading“ prangt. ARIANE BRENSSELL