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Archiv-Artikel

Der erste Schritt zur Geburt des Geisterkanals

Sachsen-Anhalt leitet Raumordnungsverfahren für den Bau eines Saale-Seitenkanals ein. Umweltschützer kritisieren, dass der nur Sinn macht, wenn auch die Elbe ausgebaut wird. Und das lehnt die aktuelle Regierung bekanntlich ab

BERLIN taz ■ Von Stolpes „Geisterkanal“ war die Rede, vom „absurdesten Projekt des neuen Verkehrswegeplans“. Jetzt ist Schluss mit dem Gerede: Das sachsen-anhaltinische Verkehrsministerium leitet das Raumordnungsverfahren zum Bau des so genannten Schleusenkanals Tornitz ein – parallel zur Saale angelegt.

Dieser soll nach Vorstellungen des Bundesverkehrsministeriums der Wirtschaft in der Region neue Impulse geben und den Güterverkehr vom Lkw auf die Schiene locken. Dank des Kanals wäre die Saale bis Halle für die effizienten Europaschiffe – 90 Meter lang und 9,5 Meter breit – schiffbar. Naturgemäß bestreiten Umweltschützer – allen voran Flussaktivist Ernst-Paul Dörfler vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) – derlei Effekte. Deshalb lud der BUND zu einem „Dialog im Boot“ mit Wissenschaftlern und Politikern.

Und dieser Dialog zeigt, dass es tatsächlich unterschiedliche Auffassungen in der rot-grünen Regierung gibt. Das Bundesministerium bezweifelt den von den Wirtschaftskollegen prognostizierten Effekt. Henriette Berg, im BMU für Wasserwirtschaft zuständig, forderte eine Überprüfung, ob der geplante Kanal für die regionale Infrastruktur die geeignete Lösung sei. Laut Berg würden Millionen von Steuergeldern für dieses „höchst fragwürdige Projekt“ vergeudet. Etwa 70 Millionen Euro werde der Ausbau voraussichtlich kosten – bei ohnehin knappen Kassen im Land.

Im Bundesverkehrswegeplan fällt der Kanal jedenfalls unter „vordringlichen Bedarf“ und eine Studie vom Essener Planco-Institut erwartet durch den Ausbau eine Güterverlagerung von rund 1,5 Millionen Tonnen von der Straße auf das Wasser.

Rainer Hopf vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte 1997 eine ähnliche Studie über den Ausbau der Saale angefertigt und widerspricht: „Das ist reine Utopie. Dieses Potenzial wandert natürlich nicht ab, die Unternehmen wollen nur möglichst einen weiteren Verkehrsträger, um sie gegeneinander auszuspielen.“ Eine wirtschaftliche Notwendigkeit des Ausbaus ist laut seiner Einschätzung nicht gegeben. Die nachfragende Industrie sei vorhanden, zudem sei die Tauchtiefe der Elbe zu gering, so Hopf.

Damit spricht der dem BUND-Experten Dörfler aus der Seele. „Derzeit befahren monatlich ein bis zwei Schiffe den Kanal. Bei prognostizierten 1,5 Millionen Tonnen wäre das eine Verhundertfachung. Eine groteske Annahme.“ Dörfler bezeichnet die Planco-Studie über die Wirtschaftlichkeit des Ausbaus als „Gefälligkeitsgutachten, das einer Prüfung nicht standhält“. Wie anders wäre zu erklären, dass das Bundesverkehrsministerium die Studie unter Verschluss hält.

Selbst wenn das Raumordnungsverfahren jetzt zu Gunsten der Saaleschifffahrt ausgehen sollte: Garantiert ist sie noch lange nicht. Während der Saale-Kanal nämlich geplante drei Meter tief sein wird, hat die Elbe durchschnittlich nur 1,40 Metern Tiefgang. FRANZISKA DÄHN

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