: Den Miethaien wachsen Zähne nach
Zehn Jahre Miethai & Co: Eve Raatschen und Sylvia Sonnemann, Juristinnen beim Hamburger Mieterverein „Mieter helfen Mietern“, im taz-Interview über den Bedarf an Mietwohnungen, schlechte Gesetze und Eigentum in der wachsenden Stadt
Interview: GERNOT KNÖDLERund SVEN-MICHAEL VEIT
taz: Seit zehn Jahren erscheint eure Kolumne „Miethai & Co“ in der taz hamburg. In der Zeit hat es zwei Regierungswechsel gegeben. Sind die Miethaie unter dem Rechtssenat dicker geworden?
Sylvia Sonnemann: Die haben sich ganz fett gefressen Anfang und Mitte der 90er Jahre. In den letzten Jahren konnte der Mietenanstieg nicht so irrsinnig weitergehen wie damals, da die Einkommen nicht da waren. Wir beobachten, dass der Wohnungsmarkt jetzt wieder anzieht. Neuvermietungspreise können weitgehend frei vereinbart werden. Die höhere Fluktuation auf dem Wohnungsmarkt wird zum Anstieg der Mietenspiegelpreise führen. Den Miethaien wachsen die Zähne nach.
Wie sind denn eure Erfahrungen mit dem neuen Mietrecht?
Sonnemann: Eine enorm positive Neuerung ist die maximal dreimonatige Kündigungsfrist für Mieter. Die ist aber handwerklich ganz schlecht gestrickt. Die Bundesregierung wollte den Mietern die Möglichkeit geben, sich schnell aus ihrem Vertrag zu lösen. Das gilt jetzt aber nur für Neuvermietungen, nicht für alte Verträge. Für die große Masse der Mieter wird das vielleicht in 30 Jahren mal relevant. Da müsste die Bundesregierung ganz schnell nachbessern.
Mit welchen Problemen treten Mitglieder hauptsächlich an euch heran?
Eve Raatschen: Immer noch wegen Mängeln, vor allem wegen feuchter Wohnungen.
Liegt das denn immer an den Wohnungen oder auch am Verhalten der Mieter?
Sonnemann: Es ist manchmal eine Kombination aus beidem. Zum Beispiel bei 50er-Jahre-Bauten: Die Leute haben früher nicht so viel geduscht und nicht so viel Wasser verbraucht. Dazu kommen schlecht isolierte Wände, kaum belüftete Badezimmer und unbeheizte Räume. Da entwickelt sich schnell Feuchtigkeit und dann auch Schimmel.
Raatschen: Ein Teil des Problems kommt sicher auch durch die Dämmprogramme. Wenn alles zugedämmt ist, kann die Feuchtigkeit nicht mehr raus.
Sonnemann: Natürlich müssen die Leute auch ihr Verhalten ändern. Sie sollen stoßlüften, auf das unsägliche Fenster-Kippen im Winter verzichten und die Räume gleichmäßig erwärmen.
Raatschen: Man kann vom Thema Dämmen und Modernisieren auch den Bogen zum Mietpreis schlagen. Saga und GWG fahren immense Modernisierungsprogramme, die zum Teil vielleicht ganz gut sind. Das Problem ist, dass der größte Teil der Kosten auf die Miete umgelegt wird, auch wenn das rechtlich nicht zulässig ist. Angestammte Mieter werden durch die immensen Mieterhöhungen, zum Teil auf bis zu zehn Euro pro Quadratmeter, verdrängt. Das Modernisierungsprogramm läuft bei jedem Haus nach Schema F. Man ist nicht bereit, im Interesse der bestehenden Mieter und bezahlbarer Mieten das Programm in einzelnen Fällen abzuspecken
Sonnemann: Zum Teil reißen die Isolierglasfenster heraus, weil die nicht dem Dämmfaktor entsprechen, der in dem Modernisierungsprogramm eingeplant ist. Es werden ein bisschen besser isolierte Fenster reingesetzt – aus Plastik statt aus Holz. Saga und GWG gehen immer etwas grobmotorisch vor, wenn sie etwas entscheiden.
Raatschen: Diese Mieterhöhungen wirken sich natürlich stark auf den Mietenspiegel aus, weil es um sehr viele Wohnungen geht.
Was könnte man denn dagegen tun, dass die Mieten immer weiter steigen? Wir leben ja in einer „wachsenden Stadt“.
Sonnemann: Mehr Sozialwohnungen bauen und die vorhandenen bei Saga und GWG nicht verkaufen. Andernfalls wird das Konzept der wachsenden Stadt nicht funktionieren.
Wie steht ihr zum Verkauf der Wohnungen an Mieter?
Sonnemann: Ein Verkauf an Mieter ist meist nur der erste Schritt. Dann werden die Wohnungen weiterverkauft und man hat noch weniger Mietwohnungen auf dem Markt.
Wo könnte man denn noch bezahlbaren Wohnraum hinsetzen?
Sonnemann: Auf Brachgelände, zum Beispiel Flächen der Deutschen Bahn. Da gibt es eine ganze Menge innenstadtnahe Möglichkeiten, attraktive Ecken wie zum Beispiel das Gleisdreick nördlich des Altonaer Bahnhofs.
Der Senat möchte vor allem junge Familien in der Stadt halten und für diese ein Angebot schaffen. In der Regel bedeutet das den Bau von Einfamilien- oder Reihenhäusern, nicht aber Mietwohnungen.
Raatschen: Die Senatspolitik läuft vor allem darauf hinaus, Eigentum zu bilden. Unser Anliegen ist, es für breitere Schichten Mietangebote zu schaffen.
Sind denn Mietwohnungen attraktiv für junge, gut verdienende Familien?
Sonnemann: Ich glaube, das ist die falsche Zielgruppe für eine Großstadt. Um die kann Hamburg nicht mit dem Umland konkurrieren. Dort ist es günstiger zu bauen, es gibt mehr Grün. Hamburg besteht zur Hälfte aus Single-Haushalten. Auch für die muss man bauen.
Ihr befasst euch ja schon lange mit der Wohnungspolitik. Ist ein Bausenator Mario Mettbach von der Schill-Partei sozialer als sein 18 Jahre amtierender SPD-Vorgänger Eugen Wagner?
Sonnemann: Der alte Senat hat mit dem Verkauf von Wohnungen aus dem Streubesitz begonnen. Jetzt sind wir beim nächsten Schrittt: Es werden Saga- und GWG-Wohnungen, die sie nicht mehr sanieren wollen, auf den Markt geworfen. Das wäre unter SPD-Führung wohl nicht passiert. Aber unter dem alten Senat ging es eben schon los mit dem Verkauf von Tafelsilber.
Macht die Behörde unter dem neuen Senator noch mehr Fehler?
Sonnemann: Es scheint so, als ob die Zeichen der Zeit auf der Schaffung von Eigentum stünden. Es sei denn, der Senat sieht ein, dass es großen Bedarf an Mietwohnungen gibt, der durch die erwünschen Zuzüge und den zunehmenden Flächenbedarf wachsen wird.
Es wird in den nächsten Jahren aber auch darum gehen, die Generation der Erben mit Wohnungen zu versorgen ...
Sonnemann: Das ist richtig. Aber es ist die Frage, ob das viele Geld in Eigentum gesteckt werden muss, oder ob man nicht einfach eine Mietwohnung nimmt und flexibel bleibt in seinem Leben. Das ist eine Frage der Lebenseinstellung, ob man wirklich Eigentum braucht, um glücklich zu sein.
Euer Wunsch an den Senat?
Raatschen: Dass er Wohnungsversorgung durch kommunale Unternehmen als eine der wichtigsten städtischen Aufgaben versteht und entschieden gegen den weiteren Abbau von Mietwohnungen durch Umwandlung vorgeht. Deshalb muss unter anderem die zehnjährige Kündigungssperrfrist bei umgewandelten Wohnungen, die im nächsten Jahr ausläuft, verlängert werden. Auch wird das Konzept der „wachsenden Stadt“ nicht ohne den Erhalt und Neubau von Sozialwohnungen funktionieren.