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Archiv-Artikel

Fremd und doch vertraut

Die Hamburger Muslime öffneten gestern die Türen ihrer Moscheen. Viele Besucher kamen zum ersten Mal in ein islamisches Gotteshaus, und für etliche war der Kopftuchstreit ein wichtiges Thema. Auch in der Imam-Ali-Moschee an der Außenalster

von EVA WEIKERT

Knut Torpus ist mit seinem drei Monate alten Sohn gekommen. „Da drinnen geht es ganz schön zur Sache“, sagt der 35-Jährige aus Uhlenhorst. Er steht im Treppenhaus der iranischen Imam-Ali-Moschee an der Schönen Aussicht und wiegt den Kinderwagen mit seinem schlafenden Baby. „In der Türkei ist das Tragen von Kopftüchern in den Schulen auch verboten“, schallt eine empörte Stimme von nebenan herüber.

In der Halle gleich neben dem prächtigen Gebetssaal diskutierten gestern rund 100 Gäste mit Vetretern islamischer Gemeinden in Hamburg und deutschen und iranischen Geistlichen über das Kopftuch, religiösen Terror und Ökumene. Sie nutzten am 3. Oktober den „Tag der offenen Moschee“ , um das Gespräch mit den Hamburger Muslimen zu suchen.

Knut Torpus sagt: „Ich bin das erste Mal in einer Moschee.“ Der Streit um das Kopftuch der deutschen Grundschullehrerin islamischen Glaubens, Fereshta Ludin, habe ihn bewogen, mehr über die muslimischen Nachbarn zu erfahren. Drinnen im Saal hört Torpus‘ Frau zu, wie Ayatollah Ali Akbar Rashad aus Teheran und Djavad Mohagheghi vom Islamischen Zentrum Hamburg auf die Fragen der Besucher antworten. Mohagheghi erklärt, dass im Koran nur stünde, die Frau solle ein Gewand über sich ziehen. „Wann, wie und warum, das steht da nicht drin.“ Gleichwohl sei das Kopftuch zu achten. „Sie verlangen von mir ja auch nicht, dass ich meine Hose ausziehe.“

Die achtjährige Juntang aus Harvestehude interessieren solche Diskussionen nicht. Die Schülerin und ihre Oma, Sieglinde Cahnbley, sind gekommen, um einmal eine Moschee von innen zu sehen. „Juntangs Vater ist nämlich aus Gambia und Muslim“, erklärt die Großmutter. Über Muslime wissen sie und ihre Enkelin, dass sie kein Schweinefleisch essen, keinen Alkohol trinken und mehrmals am Tag beten. „Das hat mein Schwiegersohn nur in den ersten Jahren in Deutschland gemacht“, sagt Sieglinde Cahnbley, bevor sie sich mit Juntang auf den Weg zum Gebetssaal macht.

Davor steht ein Regal, in dem Oma und Enkelin ihre Schuhe abstellen müssen. Der runde Saal der 1963 erbauten Moschee ist mit einer hellblauen Kuppel überdacht und einem gemusterten Teppich ausgelegt. In der Kuppel hängt ein drei Meter hoher Kronleuchter. Ein buntes Kachelmosaik schmückt die Wände. Verse aus dem Koran sind auf Arabisch und Deutsch darauf zu lesen. Auch die Gebetsnische ist mit einem blauen Mosaik verziert. Daneben steht ein modernes Pult mit Mikrofon für den Imam. Einen Stock höher auf der Galerie gibt es Kabinen für Simultandolmetscher.

Als der Imam zum traditionnellen Freitagsgebet ruft, ziehen sich Sieglinde Cahnbley und Juntang zurück. Die Achtjährige bilanziert: „Ich finde es hier schöner als in den deutschen Kirchen, es ist so bunt und gemütlich mit den Teppichen.“

Der Freitag ist der Feiertag der Muslime. In der Imam-Ali-Moschee treffen sich Sunniten und Schiiten, also Angehörige der beiden großen Glaubensrichtungen im Islam. Das Freitagsgebet beobachten beim Tag der offenen Moschee rund 80 Gäste von der Galerie. Unten auf dem Teppich sitzen Frauen und Männer getrennt: die Frauen – verschleiert – hinten, die Männer in der vorderen Reihen beim Imam. Ein paar Kinder sind auch da, ein Mädchen hat ihren Teddy mitgebracht. Während der Imam spricht, sitzen die meisten Gläubigen still im Schneidersitz da, nur wenige verneigen sich regelmäßig Richtung Mekka.

Einige Zuschauer auf der Empore haben nicht die Geduld, das einstündige Ritual bis zum Ende anzusehen. Lieber schauen sie noch in den Anbau, in dem die Akademie des Islamischen Zentrums untergebracht ist, und in die Tiefgarage, wo an Biertischen Tee und Suppe für die Gäste bereit stehen. Bis zu 2000 Muslime werden bei großen Festen dort verköstigt.

„So groß habe ich mir die Moschee nicht vorgestellt“, sagt Knut Torpus. Inzwischen ist die Diskussion zu Ende und er trägt jetzt seinen Sohn vor der Brust, um besser die Bücher und Broschüren durchblättern zu können, die Musliminnen in der Moschee verkaufen. Die meisten von ihnen tragen Kopftuch. Torpus sagt: „Ich finden, sie sollen es tragen, wenn sie es wollen.“