: Mit Bomben brüsten
Nordkoreas Regierung behauptet wieder einmal, Atomwaffen zu bauen. In Peking wird das inzwischen ernster genommen als in Washington
aus Peking GEORG BLUME
Niemand weiß, ob es nur eine weiterer raffinierter Schachzug der nordkoreanischen Diplomatie ist oder eine längst vollstreckte Tatsache: Seit Donnerstag behauptet die Regierung in Pjöngjang nun auch öffentlich, dass sie dabei ist, Atomwaffen zu bauen. Zuvor hatte sie das nur am Verhandlungstisch gegenüber US-Diplomaten verkündet.
„Der Norden hat erfolgreich die Wiederaufarbeitung von 8.000 Atombrennstäben fertiggestellt“, sagte ein Sprecher des nordkoreanischen Außenministeriums. Zugleich beschuldigte er die USA, ihre „feindliche Politik“ gegenüber seinem Land fortzusetzen. Aus diesem Grund sei Nordkorea gezwungen, die Verwendung des aus der Wiederaufarbeitung gewonnenen Plutoniums „umzuverlagen“ und das Plutonium für die Stärkung der nuklearen Abschreckungskraft nutzbar zu machen.
Die Aussagen stellen keine Überraschung dar. Während der so genannten Sechsergespräche über das nordkoreanische Atomprogramm in Peking, an denen im August neben Nordkorea die USA, China, Japan, Russland und Südkorea teilnahmen, hatte Pjöngjang bereits mit Atomtests gedroht. Offenbar glaubt man, sich mit dem tatsächlichen oder suggerierten Status einer Atommacht in eine bessere Verhandlungsposition zu manövrieren. Die Außenwelt aber bleibt skeptisch.
„Das ist jetzt das dritte Mal, dass sie uns erzählen, mit der Wiederaufarbeitung fertig zu sein“, gab sich US-Außenminister Colin Powell betont gelangweilt. Dabei hatten die USA aufgrund von Satellitenaufnahmen im Frühjahr zuerst über den Transport der bis dahin in einem Kühlbecken verwahrten Atombrennstäbe berichtet. Damals herrschte in westlichen Diplomatenkreisen helle Aufregung. Doch inzwischen weiß man, dass Washington die Nordkoreakrise derzeit nicht zu einem weiteren Präventivkrieg eskalieren lassen will. Entsprechend gelassen sind die Reaktionen. „Es gibt keine Beweise für ihre Behauptungen“, sagte Powell. Dabei waren es zu Beginn der Krise ursprünglich die USA, die Nordkoreas Atomprogramm aufgrund ihrer Geheimdienstexpertise für bewiesen erklärten.
So scheinen die Aussagen in Pjöngjang und Washington zu bestätigen, dass derzeit beide Seiten kein Interesse an weiteren Verhandlungen hegen. Ganz anders China, das im November eine zweite Runde der Sechsergespräche abhalten will. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete auffällig besorgt über die nordkoreanischen Äußerungen.
Doch Peking verfügt vermutlich über genügend Druckmittel, um Nordkorea erneut an den Verhandlungstisch zu bewegen. „Nordkorea wird dem chinesischen Druck nicht standhalten können“, kommentierte Jin Canrong, ein außenpolitischer Experte der Peking-Universität. Für Jin stehen die Äußerungen Pjöngjangs in der Kontinuität seiner Verhandlungstaktik: „Vor jeder Verhandlung lancieren sie ein paar neue Bälle. Das war immer so.“