: Kein Platz für harte Männer
Frauen gehen lieber ohne Männer auf Segeltörn, schließlich wollen sie aktiv ins Geschehen eingreifen. Eine kurze Einführung ist Voraussetzung. Auch in NRW gibt es Anbieter
VON DIRTEN PÜTTMANN
„Wo ist denn der Skipper?“ Lässig lehnt der holländische Hafenmeister an einer Laterne und fährt sich durch seine strubbeligen Locken. Fünf Frauen, unter ihnen Skipperin Renate Arlt von der Krefelder Charterfirma H+R Yachting, klettern von Bord der Segelyacht „Watt is“ und lassen die Frage des Hafenmeisters für diesmal unkommentiert stehen. Sie haben sich nach den ersten Tagen Segelurlaub im holländischen Zeeland daran gewöhnt, dass Hafenmeister, Yachteigner oder Fischer immer einen Mann als Skipper erwarten.
An diesem Tag machen die Seglerinnen in Brouwershaven fest. Dem Hafenstädtchen sieht man seine vergangenen Glanzzeiten als Vorhafen von Rotterdam noch an. Den alten Hafen inmitten der Stadt säumen noble Patrizierhäuser und handtuchschmale Backsteingebäude. Die fünf Herrinnen über Segel, Wind und Welle schlendern Richtung Hafenkneipe. Wenn man genau hinschaut, ist der Gang schon breiter und wiegender geworden. Seemannsbeine – oder heißt es Seefrauenbeine?
Da zu Beginn des einwöchigen Frauentörns Starkwind gemeldet wurde, ordnete die Skipperin Landgang an. Fischrestaurants, die Ausstellung zum gigantischen Staudammbauprojekt Delta Expo und lange Spaziergänge auf windumtosten Wellenbrechern machten schnell klar: In Zeeland bestimmt das Meer das Leben. Jetzt, nach dem dritten Segeltag, klappen die Abläufe an Bord der Halberg Rassy 36 wie geschmiert. „Geht doch alles prima“, schüttelt Skipperin Renate den Kopf. Die anwesende Crew hatte ihre Segelkenntnisse mit „Grundkenntnisse vorhanden, Mitseglerin, mäßig erfahren“ beschrieben. Wie sich herausstellte, hatten sich die Damen mit dieser Selbsteinschätzung in der Kunst des Tiefstapelns geübt.
„Wenn Männer mit an Bord sind, reißen die einem sofort das Steuer aus der Hand, da kommt man nicht richtig zum Segeln“, weiß die 36-jährige Ruth aus leidvoller Erfahrung. Um sich den Spaß nicht endgültig zu vermiesen, hatte sie diesen Frauentörn gebucht. Auch Ingrid, dreifache Mutter und stolze Mitbesitzerin einer kleinen Segeljolle, ist froh, mal ohne ihren Mann zu segeln. „Der denkt immer, ich bin zu schwach, um das Vorsegel zu setzen“, erzählt sie augenzwinkernd. „Männer wollen immer erst mal machen, die stürzen sich sofort auf die Dinge, ohne nachzudenken, Frauen sind bedachtsamer“, weiß die Skipperin.
Auch die zwei Tage im Hafen hätten vermutlich nicht stattgefunden, wenn Männer an Bord gewesen wären. Aus unerfindlichen Gründen segeln viele Männercrews im strömenden Regen und bei widrigen Winden los. „Harte-Männer-Syndrom“ nennt Ruth das, die mit ihrem Lebensgefährten schon so manchen ungemütlichen Törn hinter sich gebracht hat. Deshalb genießt sie es, dass bei diesem Frauentörn neben dem Segeln vor allen Dingen eins auf dem Programm steht: Wohlfühlen. Ob dampfende Teetassen, die gut gegen kalte Hände sind, ausgiebige Duschorgien im Waschhaus oder die fehlende Diskussion ums Spülen. An Bord der „Watt is“ wird auch einfach reihum gekocht, das ergibt sich wie von selbst.
Heute lassen die fünf Segelfrauen allerdings kochen. In der Hafenkneipe „Zum schwarzen Schaf“ gibt es Berge von Miesmuscheln, Rotbarschfilet und zum Schluss belgisches Eis. Am nächsten Morgen dann Frühstück auf holländisch und das bedeutet ausgiebig, mit Schokostreuseln und Kaffee satt. Ein Blick zum Himmel zeigt: Wolken am betäubend blauen Himmel, der Wind bläst mäßig um vier Beaufort, also perfekt. Nichts wie los, Richtung Zeelandbrücke. Die Klappbrücke spannt sich auf mehreren hundert Metern über das Wasser. Sie ist eine der Hauptverbindungen zwischen den künstlich geschaffenen Inseln von Zeeland und dem Festland. Jede halbe Stunde klappt die Brücke auf, und Segelyachten, Tanker aus Rotterdam oder Fischerboote können passieren.
Aus dem Funkgerät tönt es deutsch mit charmantem holländischen Akzent: „Meisje, Brücke wird geöffnet.“ In Holland gehört Deutsch zum Sprachschatz. In der Provinz Zeeland trifft der Reisende allerdings auf eine gewisse Mundfaulheit seiner Bewohner. Friesisch herb, vom Kampf gegen das Meer geprägt, gibt am letzten Tag der Fischverkäufer im Ausgangshafen Coljinsplaat eine Kostprobe zeeländischer Redekunst. Statt Fragen nach der Fischsorte zu beantworten, tippt er schweigend auf die Preisschilder, da steht schließlich die Antwort. Nach diesem fast wortlosen Einkauf schweifen die Gedanken wehmütig zum Hafenmeister von Brouwershaven zurück. Mindestens fünf Minuten hatte der die Vorzüge seines Hafens erklärt.