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Archiv-Artikel

Putins Prankenschlag entzweit die Welt

Die USA sind mit Russlands neu erklärter „Präventivschlagsdoktrin“ gegen Terroristen einverstanden, aus Deutschland und vom UN-Generalsekretär meldet sich vorsichtige Kritik. Gernot Erler (SPD): „Ablenkung“. Bomben in Sankt Petersburg entdeckt

MOSKAU/WASHINGTON/BERLIN afp/ap/dpa/taz ■ Die US-Regierung will sich möglichen Präventivangriffen Russlands im Ausland im Zuge des weltweiten Anti-Terrorismus-Kampfes nicht entgegenstellen. „Jedes Land hat das Recht, sich zu verteidigen“, sagte am Mittwoch ein hochrangiger US-Regierungsmitarbeiter, der ungenannt bleiben wollte. Russlands Generalstabschef Juri Balujewski hatte zuvor mit „Präventivschlägen“ gegen Stützpunkte von Terroristen auch im Ausland gedroht. Das US-Außenministerium lehnte eine offizielle Stellungnahme dazu ab.

Gernot Erler, SPD-Fraktionsvize und Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-russische Zusammenarbeit, sagte hingegen zur taz, die Äußerungen des russischen Generalstabschefs seien „eine Geste der Stärke in einer bedrängten Situation, die trotzig und provozierend klingt. Sie soll offenbar von den vielen Schwächezeichen ablenken, wie der Unauffindbarkeit des Rebellenführers Bassajew und dem Desaster der Sicherheitskräfte in Beslan. Was mir sehr viel größere Sorgen macht, ist, dass damit ein Anspruch angemeldet wird, wie ihn auch der amerikanische Präsident nach dem 11. September angemeldet und im Irak in die Tat umgesetzt hat – unter Ausschluss sämtlicher völkerrechtlicher Regeln.“

Auch UN-Generalsekretär Kofi Annan mahnte Russland, bei der Bekämpfung des Terrorismus das internationale Recht nicht zu verletzen. Selbstverständlich müssten Mittel und Wege zur Terrorbekämpfung gefunden werden, sagte Annan am Mittwoch in Mexiko-Stadt. Allerdings müsse sichergestellt werden, dass dabei die Regeln des internationalen Rechts und die grundlegenden Bürgerrechte nicht missachtet werden.

Der russische Außenminister Sergei Lawrow warf den westlichen Regierungen gestern Doppelmoral vor, da sie tschetschenischen Separatisten Asyl gewährten. Dies schwäche die Einheit der weltweiten Koalition im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Lawrow nach einem Bericht der Zeitung Wremja Nowestei von gestern.

Seine Kritik richtete sich insbesondere gegen Großbritannien und die USA. London hat den Abgesandten des ehemaligen tschetschenischen Präsidenten Aslan Maschadow, Achmed Sakajew, aufgenommen. Von Washington hat der frühere tschetschenische Außenminister Iljas Achmadow Asyl erhalten. „Es reicht aus, sich an Sakajews Erklärung zu erinnern, wonach für das Drama in Beslan die russische Regierung verantwortlich ist“, sagte Außenminister Lawrow.

Unterdessen hat die russische Polizei in einem wegen Reparaturarbeiten geschlossenen Kino in Sankt Petersburg angeblich ein Sprengstoff- und Waffenlager entdeckt. Darunter waren auch 900 Gramm Plastiksprengstoff und zwei selbst gebaute Bomben, wie die Nachrichtenagentur Interfax meldete. Auch in Beslan sollen die Terroristen Bauarbeiten in den Sommerferien genutzt haben, um Waffen, Munition und Sprengstoff in der Schule zu verstecken.