: Jeder Dritte rechnet mit Bruch der Regierung
SPD-Spitze erhöht Druck auf Abweichler. Gemäßigte Linke in der Partei sieht „Spielraum für Veränderung“
BERLIN dpa/taz ■ Vorne drohen, hinten verhandeln – diesen diplomatischen Tanzschritten folgen die Regierung und ihre Kritiker in Sachen Agenda 2010 weiterhin: Regierung droht mit Machtverlust, Kritiker drohen zurück. Ab und zu schimmert die reale Lage durch: Etwa, wenn Niedersachsens Exministerpräsident Sigmar Gabriel zu Protokoll gibt, er halte „die Lust am Selbstmord innerhalb der SPD doch für eher begrenzt“. Nicht alle sind sich so sicher. Vorsichtshalber wird also zugespitzt: So wartete am Donnerstag Wirtschaftsminister Wolfgang Clement mit einer Parallele zum Machtwechsel 1982 auf: „Es erinnert mich derzeit einiges an das, was zum Sturz von Helmut Schmidt beigetragen hat“, dräute er.
SPD-Fraktionsgeschäftsführer Wilhelm Schmidt gehört zu den Disziplinierern: Unsolidarisch sei es, wenn eine Hand voll Kritiker meinten, den übrigen 300 Koalitionsmitgliedern sagen zu können, wo es langgehe. Die Kritiker verwiesen auf die Lächerlichkeit des Menetekelns und auf die Aufrichtigkeit ihrer Wünsche: „Ich will ja nicht den gesamten Schröder-Kurs stoppen, sondern nur den gröbsten Unfug verhindern“, so der SPD-Abweichler Fritz Schösser.
Der Integrierer heißt Michael Müller: Er spricht für die gemäßigte Linke in der SPD-Fraktion, und das klingt so: Er sehe „Spielraum für Veränderungen“: „Bei der Art der Zumutungen für Arbeitslose und auch bei der Zumutbarkeit von Billigjobs“ seien die Differenzen „lösbar“. Die Bild-Meldung, man habe den Linken das Ja zu Hartz mit dem Versprechen, es gebe dafür die Ausbildungsabgabe, abgekauft, wurde dagegen dementiert.
Bis heute sollen die Kritiker ihre Wünsche bei SPD-Generalsekretär Franz Müntefering abgegeben haben. Klaus Barthel, SPD-Abgeordneter und Hartz-Gesetz-Kritiker sagte gestern, es sei noch nicht klar, ob die Fraktionsspitze wirklich auf die Forderungen der Kritiker eingehen wolle. Es gebe entsprechende Signale. Niemand habe ein Interesse daran, den Streit auf die Spitze zu treiben. Ähnlich scheinen das auch die Bundesbürger zu sehen: Die Mehrheit, nämlich 56 Prozent erwartet nach einer Forsa-Umfrage, dass die Regierung die Wahlperiode durchhalten wird. 37 Prozent rechnen mit einem vorzeitigen Ende. OES