„Das wäre Mao-Look“

INTERVIEW HANNES KOCH
UND KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

taz: Löhne sinken, Managergehälter steigen – eine große Debatte. Die Bundesregierung verlangt, dass die Vorstände wenigstens sagen, was sie verdienen. Warum lehnt die Commerzbank ab, die Gehälter der einzelnen Vorstandsmitglieder zu veröffentlichen?

Klaus-Peter Müller: Erstens veröffentlichen wir mein Gehalt ganz genau. Es betrug im vergangenen Jahr 1,42 Millionen Euro inklusive der variablen Anteile. Und zweitens nennen wir gemäß Aktiengesetz auch die Gesamtbezüge des Vorstandes. Anhand des Geschäftsberichts kann sich jeder ausrechnen, dass meine sieben Kollegen 2003 durchschnittlich 812.000 Euro verdient haben. Es stimmt also nicht, dass wir keine Angaben machen.

Die genauen Zahlen – ob Ihr Finanzvorstand nun 600.000 Euro bekommt oder vielleicht eine Million – kann man Ihrem Geschäftsbericht aber nicht entnehmen.

Ich kann Ihnen sagen, warum das bei uns so ist. Die Bezüge sind auch ein Ausdruck der individuellen Leistung. Sie schwanken von Jahr zu Jahr. Die Veröffentlichung würde unweigerlich eine öffentliche Diskussion darüber in Gang setzen, ob ein Vorstand versagt hat, wenn sein Gehalt einmal geringer ausfällt.

Es heißt, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Was soll schlecht sein daran, wenn sich auch Topmanager rechtfertigen?

Es würde zur Nivellierung der Gehälter im Vorstand führen. Das wäre Mao-Look, echte Gleichmacherei.

In den USA müssen die Unternehmen über jeden Cent informieren, den die Manager bekommen. Trotzdem sind die Gehälter höchst unterschiedlich. Warum soll das hier anders sein?

Das können Sie nicht vergleichen. Die Gehälter in den USA differieren stark, weil dort ein viel größeres Gefälle zwischen den Aufgaben des Vorstandsvorsitzenden und seiner Kollegen besteht. Außerdem sind die Menschen in den USA daran gewöhnt, mit größeren sozialen Unterschieden umzugehen. Ich frage Sie im Ernst: Was haben Sie davon, wenn Sie wissen, ob mein Kollege 880.000 oder 760.000 Euro im Jahr verdient?

Die Beschäftigten wollen wissen, ob gerade diejenigen, die ihnen unbezahlte Mehrarbeit verordnen, währenddessen ihr Gehalt steigern. Und die Aktionäre interessiert der Zusammenhang zwischen der Leistung des Vorstandes und der Verzinsung ihres Kapitals.

Ich bezweifle, dass Außenstehende die Leistung von Vorstandsmitgliedern überhaupt angemessen würdigen können. Selbst meinem Aufsichtsrat muss ich das ja genauestens erklären. Und erlauben Sie mir den Hinweis: Wesentliche Aktionäre, die Investmentgesellschaften und Pensionskassen, haben den Anspruch auf Veröffentlichung an uns noch nicht herangetragen.

Ihre Argumente in Ehren – haben Sie nicht im Prinzip Angst vor der öffentlichen Gerechtigkeitsdiskussion, die sagt, dass die Gehälter zu stark gestiegen sind?

Nein, überhaupt nicht. Mir geht es ausschließlich um die Diskretion und den Schutz des einzelnen Vorstandsmitgliedes. Ich will meine Kollegen vor einer sehr unangenehmen medialen Auseinandersetzung bewahren. Die Commerzbank steht im Übrigen mit einem Durchschnittsgehalt von 812.000 Euro nicht auf der üppigen Seite.

Nun verstoßen Sie mit Ihrer bruchstückhaften Veröffentlichungspraxis gegen den Corporate Government Kodex der Wirtschaft, den Sie selbst unterschrieben haben.

Tun wir nicht. Der Kodex empfiehlt nur die individuelle Veröffentlichung, das ist keine Muss-Bestimmung.

Welchen Wert hat denn eine Selbstregulierung der Wirtschaft, wenn die Unternehmen ihr keine Folge leisten?

Ist das nicht ein bisschen überzogen? Im Prinzip halten wir den Kodex ein.

Ihrer Einschätzung nach sind Ihre Gehälter ein Ausdruck von Bescheidenheit. Ein Blick in die USA zeigt das Gegenteil: Dort verdienen die Manager gemessen am Börsenwert ihrer Firmen deutlich weniger. Hat das nicht etwas mit der dortigen Offenheit zu tun?

Jeder Investmentbanker wird Ihnen bestätigen, dass die deutschen Unternehmen an der Börse zurzeit zu niedrig bewertet sind. Banken in anderen Ländern werden mit dem 1,5- bis Dreifachen des Eigenkapitals eingestuft. Deshalb stellt sich das rechnerische Verhältnis zu den Gehältern bei uns unvorteilhaft dar.

Jürgen Schrempp, Chef von DaimlerChrysler, hat inzwischen einen zweistelligen Milliardenbetrag Euro versenkt, trotzdem bekommt er knapp das Zehnfache Ihres Gehaltes. Ein moralischer Ausreißer oder Prinzip?

Ich möchte mich hier nicht zum Richter aufspielen. Als die Ergebnisse der Commerzbank schlecht ausfielen, haben wir innerhalb von 24 Monaten unsere Vorstandsgehälter um 38 Prozent reduziert. Das ist mein Maßstab.

Wie schätzen Sie denn die Zukunft der deutschen Banken und Ihres Hauses ein – wird es die Commerzbank in zehn Jahren noch geben?

In Italien, Österreich, Spanien, Frankreich und anderen Staaten hat es in den vergangenen 20 Jahren erhebliche Fusionen von Banken gegeben. Bei uns dagegen nicht – abgesehen vom Zusammenschluss der Bayerischen Vereinsbank mit der Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank zur HVB und der Übernahme der Dresdner Bank durch die Allianz. Die Folge: Die deutschen Privatbanken sind im internationalen Maßstab viel zu klein. Der Gewinn eines einzigen Jahres der HSBC oder Citibank würde nach heutigen Börsenkursen reichen, um die HVB und die Commerzbank zu kaufen.

Also existiert die Commerzbank als eigenständiges Institut bald nicht mehr?

Ich gehe davon aus, dass im Prinzip alle großen deutschen Privatbanken von stärkeren ausländischen Konkurrenten übernommen werden könnten.

Im Paket oder einzeln?

Einzeln. Und die Möglichkeiten zur Verteidigung wären äußerst gering. Selbst die Fusion von Deutscher Bank, HVB und Commerzbank würde uns nur in die Spitzengruppe der europäischen Institute bringen. Die Commerzbank ist aber auch alleine überlebensfähig.

Worin liegt der wesentliche Grund für die vergleichsweise geringe Größe der Banken in Deutschland?

Die Landtage der 16 deutschen Bundesländer können sich nicht dazu durchringen, die öffentlichen Sparkassen zu privatisieren. Deswegen haben wir als Privatbanken nicht die Möglichkeit, durch Zukäufe ausreichend zu wachsen.

Umfragen sagen, dass die Vorstände der großen Firmen Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinen Sozialreformen unterstützen. Ist das auch Ihr Eindruck?

Ja, ich denke, dass die Agenda 2010 und speziell Hartz IV schmerzhaft, aber richtig sind. Das den Bürgern zu erklären, hat die Bundesregierung allerdings versäumt. Als CDU-Mitglied, das ich seit 43 Jahren bin, meine ich, dass die Bundesregierung die teilweise überzogene Kritik der Opposition nicht verdient hat.