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Archiv-Artikel

„Im Sinne der Chaos-Theorie“

Der CDU-Europapolitiker Elmar Brok über die Erfolgsaussichten der Regierungskonferenz

taz: Herr Brok, wenn man sich ansieht, wie lang die Wunschzettel sind, die einige Länder in den letzten Wochen für eine EU-Verfassung eingereicht haben – gibt es da überhaupt noch eine Chance, das Ergebnis des EU-Konvents zu retten?

Elmar Brok: Je mehr Vorschläge eingereicht werden, desto größer sind die Chancen. Im Sinne einer Chaos-Theorie wird man dann feststellen, dass die Vorschläge sich widersprechen und Nachverhandeln zu nichts führt. Deshalb ist die Verhandlungsplanung der Italiener wohl darauf angelegt, sich auf einige wenige Punkte zu konzentrieren, die man noch mal debattiert.

Ist es eine glückliche Fügung, dass die Konferenz gerade in die Zeit der italienischen Präsidentschaft fällt?

Die Italiener gehören traditionell zu den überzeugtesten Europäern – egal welcher politischen Herkunft sie sind. Italien ist das einzige der großen Länder, das nicht während des Konvents mit Vorschlägen zu Lasten der kleinen Länder gekommen ist. Das könnte sich jetzt auszahlen.

Welche Länder werden sich als die schwierigsten Verhandlungspartner entpuppen?

Das hängt von den Themen ab. Großbritannien sicher bei der Verteidigungspolitik, Polen und Spanien in Zusammenhang mit der Stimmengewichtung im Ministerrat, die kleinen Länder bei der Frage, ob jedes Land einen Kommissar bekommt.

Einige Länder wollen das christliche Erbe in der Verfassung noch stärker betonen …

Ich hielte das auch für wünschenswert. Andererseits beinhaltet die jetzige Fassung so viele positive Wertentscheidungen: die Charta der Grundrechte, die Stellung der Familie, Verbot reproduktiven Klonens, um nur einige zu nennen. Diejenigen, die auf dem Wort „christlich“ bestehen, würden das alles auch verlieren, wenn sie der Verfassung nicht zustimmen würden. Ich persönlich würde die Verfassung daran nicht scheitern lassen.

Angenommen, die Verfassung scheitert doch …

Damit würden die Entscheidungsmechanismen fehlen, um mit einer Union aus 25 Mitgliedern fertig zu werden. In der Verteidigungspolitik oder anderen Fragen würden sich kleinere Gruppen zusammenschließen, außerhalb des Vertrages. Das würde zur Zersplitterung der Union führen. INTERVIEW: D. WEINGÄRTNER