: „Was ist das für eine Frage?
Nach der 1:4-Niederlage bei Bayern München stellen sich bei Hertha zwei Fragen. Auf die Trainerfrage weiß Manager Hoeneß eine Antwort: „Wir werden die Nerven bewahren“. Warum die Spieler so viele Fehler machen, weiß nicht mal der Trainer
aus München THOMAS BECKER
Der schönste Versprecher kam weder von einem kurzatmigen Fußballer noch von einem aufgebrachten Vereinspräsidenten, sondern von einem Journalisten. Pressekonferenz, es geht um die Hertha: ihre deutschlandweit einzigartige Sieglosigkeit, also auch um ihren Trainer. Huub Stevens, 49. Ein junger Reporter aus München fragt: „Herr Stevens, wenn man so aus der Ferne die Situation bei Schalke betrachtet …“ Er erkennt den Fehler, entschuldigt sich, fragt weiter, aber die Antwort hat er schon selbst gegeben: Stevens ist für viele immer noch Schalker. Der Mann im königsblauen Trainingsanzug, der so wunderbar in den Ruhrpott passt. Der Coach, der sein Team am liebsten aus Belgiern und Holländern zusammenbaut. Das war Stevens.
Seit 15 Monaten ist er in Berlin, in vielen Köpfen aber Schalker geblieben. Wie viel Hertha in ihm steckt, weiß kein Mensch, wie viel Spaß ihm sein Job gerade macht, das sieht man: ganz, ganz wenig. 1:4 bei Bayern München, bisher kein Spiel gewonnen, nur sechs Treffer in acht Spielen, Platz 15 – eine magere Zwischenbilanz für ein Team, das in die Champions League wollte. Nach der wenig überraschenden Pleite in München wurde das Saisonziel vom Trainer höchstselbst korrigiert: „Wir wollten um die Meisterschaft spielen, aber jetzt stehen wir dort, wo wir gegen den Abstieg spielen.“
Was nahtlos überleitet zur so genannten Trainer-Frage: „Was muss bei Hertha noch passieren, dass der Trainer zur Disposition steht?“ Der mit dem Trainer per Treueschwur verbundene Manager Dieter Hoeneß muss antworten, und er tut es nach all den kontrollierten Sätzen zuvor in etwa so widerwillig wie man eine überfällige Steuererklärung angeht. „Wollen Sie das oder was ist das für eine Frage? Ich kann mit solchen Fragen nichts anfangen.“ Muss er dann aber doch, und so folgt die gängige Beschwerde-Suada über die Mechanismen der Bundesliga, über die Presse, die die Trainer aus dem Amt schreibt etc. „Ich muss nur an meinen Bruder Uli denken. Der weint noch heute, wenn er den Namen Jupp Heynckes hört.“ Die Bayern hatten Heynckes 1991 nach einem verkorksten Saisonstart entlassen und wären danach fast abgestiegen. „Diese Mechanismen werden von außen produziert“, ergänzt Hoeneß. „Wir haben die Frage nach dem Trainer in den letzten Tagen oft genug beantwortet. Das müssen wir nicht immer neu tun. Wir werden die Nerven bewahren und uns befreien.“ Dann ist ja alles gut. Muss nur noch der Trainer zuhören und ebenfalls die Nerven behalten anstatt auf harmlose Fragen mit der Aggressivität eines angeschossenen Tigers zu reagieren.
Die Niederlage im Münchner Olympiastadion hatte Stevens schnell erklärt. „Wenn man in München spielt, darf man sich keine Fehler erlauben. Wir haben Fehler gemacht, die man nicht machen darf. Die werden dann eiskalt ausgenutzt. Dann kann man nicht gewinnen.“ Fußball kann so einfach sein.
Warum Hartmann sich beim 1:0 von Salihamidzic auf der Außenbahn überlaufen lässt, warum Simunic zu weit weg von Makaay steht, warum beim 2:0 Ballack und nicht die umstehenden Herthaner schneller am Kiraly-Abpraller dran sind, warum Friedrich beim 3:0 den Schweinsteiger-Ball ins eigene Netz abfälscht, warum Kovac nach seinem schönen Lupfer über Kahn zum 3:1 wenig später den Demichelis-Pass auf Salihamidzic falsch berechnet und das 4:1 von hinten sieht? Tja, das weiß Stevens auch nicht so genau. Immerhin weiß er, was es nun zu tun gilt: „Wir müssen kämpfen und keine Fehler machen.“ Ein viel versprechendes Programm. Wie ernst die Lage bei der Hertha ist, darüber gehen die Meinungen auseinander. Fredi Bobic sagt: „Wir stehen zu Recht hinten drin.“ Michael Hartmann glaubt, „dass wir auf dem richtigen Weg sind“. Gabor Kiraly meint: „Wir müssen jedes Spiel zu Hause gewinnen und auswärts nicht verlieren, dann ist alles in Ordnung.“ Das ist sie, die bunte Welt der Hertha.