nebensachen aus wien : Die große Abzocke am Obduktionstisch
Die Wiener Gerichtsmedizin genoss einst internationalen Ruf. Vor 30 Jahren galt sie als eine der besten der Welt. Auch heute ist sie wieder in aller Munde. Allerdings gereichen die jüngsten Schlagzeilen dem forensischen Institut an der Universität Wien nicht wirklich zur Ehre.
Die Prüfer des Rechnungshofes, deren Bericht letzte Woche veröffentlich wurde, muss Übelkeit beschlichen haben, als sie die von Verwesungsgeruch durchwehten Räumlichkeiten inspizierten. Bis zu drei obduzierte Leichen wurden da in den Kühlfächern übereinander gestapelt. Präparate wie der Mageninhalt eines mutmaßlichen Vergiftungsopfers fanden sich ungekühlt in den Schränken.
Der Fall beweist, dass sich auch hochgebildete Wissenschaftler gehen lassen, wenn sie keine Peitsche spüren. Mehr als für die desaströsen Zustände in den viel zu engen Räumen interessierten sich die strengen Prüfer für das Finanzgebaren. In den mehr als 15 Jahren ohne Vorstand hatten die Angestellten das Institut in eine Goldgrube verwandelt.
Die dort angestellten Mediziner werden nämlich ständig als Gutachter eingesetzt. Jede Autopsie bedeutete Privateinkommen für die Forensiker. Statt die Honorare über das Institut abzuwickeln, gründeten sie nämlich eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die die Vergabe und Abwicklung der Gutachten privatwirtschaftlich managte. Laut Rechnungshof müssen einzelne Gerichtsmediziner zu ihrem regulären Gehalt von über 3.000 Euro an die 8.200 Euro brutto monatliches Zubrot bezogen haben. Für die Nutzung der Infrastruktur wurden dem Institut 15 Prozent Kostenersatz abgeführt. Laut Rechnungshof wären 40 Prozent angemessen gewesen. Auf mindestens drei Mediziner werden jetzt Nachforderungen in Höhe von 600.000 bis 700.000 Euro zukommen.
Außerdem wurde die Staatsanwaltschaft eingeschaltet. Denn es gibt konkrete Hinweise, dass Berichte über Gewebeproben fingiert wurden. Das Abzweigen der Gelder, die in den Haushalt des Instituts fließen sollten, hat, so ein Kenner der Zustände, „den baulichen Verfall des Gebäudes begünstigt. Es war kein Geld da für nötige Sanierungen.“
Seit Jahresbeginn gibt es mit Manfred Hochmeister wieder einen Institutsvorstand. Er verfügte, dass alle Nebentätigkeiten dem Rektorat gemeldet werden müssen. Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts wurde aufgelöst. Dieter Böhmdorfer, FPÖ, bis vor kurzem Justizminister, war über die Zustände informiert, wie er zugab. Er sei aber nicht zuständig gewesen. Die Universität unterstehe Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, ÖVP.
Inzwischen hat der Bund für die Renovierung des Gebäudes ein Startkapital von elf Millionen Euro zugesagt. Laut Hochmeister werden die Sanierungsarbeiten rund das Doppelte kosten. Vielleicht kann man ja mit ein paar fingierten Gutachten das fehlende Kapital privat erwirtschaften.
RALF LEONHARD