Ambivalente Erwartungen

Arbeit jenseits staatlicher Kontrolle und Förderung: Kampnagel präsentiert drei Wochen lang multimediale Künstler der aktuellen chinesischen freien Szene. Durchgängiges Thema ist der Spagat zwischen Tradition und Moderne

Politische Visionen scheinen tot – Künstler schaffen neue: Verheißungsvolle Spots auf die freie Szene in China wirft ab morgen der dreiwöchige Kampnagel-Schwerpunkt „Public Space and personal eyes – New Vision in China“, der sich dem Spagat zwischen privatem und öffentlichem Leben widmet.

Mit der ambivalenten Rolle der Frau in China befasst sich beispielsweise die Performance-Gruppe „The Living Dance Studio“, die ohne staatliche Förderung arbeitet und künstlerische Freiheit mit Aufführungsverboten bezahlt. Widerstreitende Erwartungen an Frauen sind Thema ihrer zweiteiligen Performance, deren erste – Report on Body – die Zerrissenheit zwischen Traditon und Moderne nachzeichnet. Der zweite Teil der Sequenz – Report on Birth – offenbart die Kluft zwischen Arbeitswelt und Privatleben.

Die Verfugung von Kunst und Alltag versucht – bewusst Massentanz-Bewegungen zitierend – Wu Wenguang in seinem Film Dance with Farm Workers, dem ersten einer Reihe von sechs Filmen, die das Programm abrunden. Die Tänzer des „Living Dance Studio“ haben darin – gemeinsam mit dreißig Farmarbeitern – in der Produktionshalle einer Textilfabrik eine Choreographie einstudiert. Kurzfilme vom Mao Ran und Jiang Zhi sowie Jiang Hus Life on Road über Männer, die dem öden Alltag durch Gründung eines Wanderzirkus entfliehen wollen, stehen zudem neben gesellschaftspolitischen Statements Hu Xinyus und Wu Wenguangs.

Poesie, Wissenschaft und soziologische Beobachtungen suchen etliche der ebenfalls präsentierten Fotokünstler zusammenzubringen: Religiöse Rituale nordchinesischer Nomaden will Cang Xin mit der Erforschung virtueller Welten verweben. Jiang Zhi pflanzt Märchen in den Alltag, indem er eine Puppe in verschiedenen Ambientes fotografiert, ihr Geschichten andichtet und sie letztlich lebendig macht. Mao Ran, Bauunternehmer aus Peking, wiederum beginnt Poesie in Licht- und Schattenspielen der Großstadt zu entdecken und eine Ästhetik zu entwickeln, die wenig mit dem zuvor gepriesenen Naturidyll zu tun hat. PETRA SCHELLEN

China-Schwerpunkt auf Kampnagel: 9.–30.10. Eröffnung der Fotoausstellung: morgen, 19 Uhr. Premiere Report on Body morgen, 20 Uhr. Filmprogramm ab 21.30 Uhr. Information unter www.kampnagel.de