Mental durchs gallische Dorf

Nur eine „unabgeschlossene Auswahl“: Gestern präsentierte Martin Heller, Intendant der Bremer Bewerbung für den Titel „Kulturhauptstadt 2010“, sein Vorkonzept „Baustelle Bewerbung“. Das ist super geschrieben, allein: Konkretes verrät es nicht

Bremen taz ■ Alle waren sie gestern Nachmittag zum Pressetermin im Rathaus gekommen, und alle lächelten sie. Ganz offensichtlich hatten sie nicht nur einen angenehmen Vormittag, nein, es muss geradezu euphorisierend gewesen sein, an diesem Dienstagmorgen als KulturpolitikerIn an der Sitzung der Kulturdeputation teilzunehmen. Einziger Tagesordnungspunkt: Martin Heller, Intendant der Bremer Bewerbung für den Titel „Kulturhauptstadt 2010“, stellt sein 20 Seiten starkes „Vorkonzept“ mit dem Titel „Baustelle Bewerbung“ vor. Erst den Deputierten, danach den Journalisten.

Ein Vorkonzept nur, nichts konkretes, aber immerhin etwas, das Heller gut vier Monate beschäftigt hatte: Nach seinem Amtsantritt am 15. Mai zog der Schweizer Kulturmanager erstmal los, Bremen und seine Kulturszene kennen zu lernen. Er redete mit Künstlern und Politikern, ließ sich Institutionen und Behörden zeigen und dachte nach – darüber, was es mit Bremen auf sich hat, als Stadt, als Standort und als potenzielle Kulturhauptstadt. Dabei folgten Heller und sein Team dem Grundsatz: „Wir leben in einer ökonomisch schwierigen Zeit und wir behandeln Kultur als Ressource.“

Der „professionelle Blick von Außen“, so Heller, sollte Stärken, Schwächen und Potenziale freilegen. Was dabei herausgekommen ist, jubelt die Urheberin der Bewerbungsidee, Helga Trüpel (Grüne), sei „viel besser als jeder Kulturentwicklungsplan.“

In jedem Fall ist Hellers „Werkstattpapier“ (Zitat Vorwort) kurzweiliger: In acht „Flashes“ verhandelt Heller die „Eigenheiten der Stadt“, berichtet vom „gallischen Dorf der 68er“ und „vom Tellerrand und der Bescheidenheit“. Entstanden ist so eine Art Essay, eine eloquente Reflexion mit Sätzen wie: „Unser mentaler Bremsweg ist immer länger als wir ihn uns wünschen.“

Aus der Bremen-Bestandsaufnahme leitet Heller fünf Grundthemen der Bewerbung ab, die er auf hohem Abstraktionsniveau beschreibt: „Kultur in Bremen ist Kultur für Bremen und darüber hinaus“ heißt ein Themenschwerpunkt, ein anderer beleuchtet „Stadtentwicklung als Zunkunftsmotor“, ein dritter beschreibt die Städtepartnerschaften zwischen Bremen und Danzig und Riga. Die Aussagen aber bleiben ohne Konkretion, sind lediglich Philosophie: Für Heller sind es „Aussagen, an denen wir uns bei Entscheidungen orientieren wollen.“

Im Kapitel „Realitäten“ beschreibt Heller 14 Institutionen wie die Kunsthalle, die Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) oder das Haus im Park und macht deutlich, was ihn an diesen Einrichtungen interessiert. Allerdings: Diese Liste sei nur eine „unabgeschlossene, vorläufige Auswahl“, so Heller. „Mit dieser Annäherung möchten wir nur eine Denkweise zeigen.“ Was vor allem die kulturpolitische Sprecherin der CDU, Sigrid Koestermann, positiv aufnahm: „Jeder, der sich unter dem Punkt 5 wiederfindet, darf nicht damit rechnen, dass er sich auch 2010 dort wiederfinden wird. Und umgekehrt.“

Kultursenator Hartmut Perschau (CDU) bekräftigte den Willen zum Strukturwandel in Richtung Kultur, egal, ob die Bewerbung Erfolg habe oder nicht: „Wir wollen Kulturhauptstadt im Jahr 2010 sein, mit Label oder ohne Label.“ Auf die Frage, ob sich daraus eine Sonderbehandlung der Kultur bei den Sparvorhaben des Senats ergebe, blieb Perschau unverbindlich: „Wir werden das tun, was nötig ist im Rahmen dessen, was möglich ist.“ Klaus Irler