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Archiv-Artikel

Banale Elternschaften

„Frauenpolitik à la Rot-Rot“, Leserinnenbrief vom 23. 9. 03

Da fange ich an, in solidarischer Stimmung die Meinung von Frau Endres zu lesen, und bekomme im letzten Satz nebenbei und ohne Zusammenhang einen Tritt, sozusagen in den Unterleib!

Würde ich ebenfalls aus meinem Bauch heraus argumentieren, könnte ich anführen, dass ich als gewollt Kinderlose nicht nur keine Kita-Plätze beanspruche, sondern es müssen für meine nicht existierenden Kinder auch keine sonstigen mit der Erziehung verbundenen Kosten aufgebracht werden. Meinetwegen wären keine Schulen, Frühchenstationen, Jugendzentren, Schülerhorte, Einzelfallhelfer, Kinderkliniken, Spielmobile, Familienhilfezentren, und Gewaltpräventionsprojekte nötig. Die Welt käme sogar mit weniger Zebrastreifen klar.

Immer öfter wird ohne Scham danach verlangt, dass kinderlose Menschen mehr Steuern zahlen sollen. Wie sollen das nun auch noch Leute verkraften, die gerne Kinder hätten und aus den Lebensumständen heraus keine bekommen können? Wer prüft, ob die Kinderlosigkeit freiwillig, Schicksal oder gar selbst verschuldet ist? Und wann genau beginnt Kinderlosigkeit? Wird das Finanzamt bei der ersten Steuererklärung den Beginn der Zeugungsfähigkeit feststellen? Würden die Probleme kleiner, oder größer, wenn immer mehr Menschen, um Steuern zu sparen, immer mehr Kinder bekommen würden?

Elternschaft muss nichts mit Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft und Zukunftsdenken zu tun haben. Sie kann sich auch aus so banalen Gründen wie schlampiger Verhütung, Angst oder Liebe ergeben. Dass das Geld für alles sozial Notwendige gestrichen wird, hat ganz bestimmte Ursachen. Darüber könnte man sprechen, statt plumpe Rechnungen aufzustellen.

MARIA ORTIZ GIL, Berlin