piwik no script img

Archiv-Artikel

unterm strich

Das Theater Erlangen trägt dick auf: „Gründgens hat ihn gespielt“, heißt es im elektronischen Spielplaninfo. „Fehling auch. Sogar Douglas Sirk, als er noch Detlef Sierck hieß und noch nicht der Meister des amerikanischen Filmmelodrams war. Trotzdem ist Hans Rehberg ein gründlich verdrängter Autor und – wenn überhaupt – eine Fußnote in Seminaren zum Theater des ‚Dritten Reichs‘.“ Weiter heißt es: Rehberg habe ein „komplexes und widersprüchliches Gesamtwerk“ verfasst, in dem ein „hegelianisches Splatter-Movie“ ebenso Platz habe wie „Schlachtszenen wie von Heiner Müller, geschrieben, als Heiner Müller neun Jahre alt war“.

Rehbergs 1943 entstandenes Stück „Die Wölfe“ soll im Theater Erlangen am 23. Oktober Premiere feiern. Die Grüne Liste der Stadt hat schon im September gegen die geplante Aufführung protestiert; in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister Siegfried Balleis (CSU) wurde unter anderem moniert, dass der Dramatiker 1930 in die NSDAP eingetreten sei, 1939 eine Geburtstagshymne für Adolf Hitler verfasst habe und mit „Die Wölfe“ den „Heldentod fürs Vaterland“ verherrliche. Prominente Unterstützung erhielten die grünen Politiker nun von dem Publizisten Ralph Giordano, der in einem am Montag veröffentlichten Brief an Balleis erneut eine Absetzung des Stücks forderte. Die Auseinandersetzung über „Die Wölfe“, so Giordano, zeige „nichts anderes, als dass unser Land mit dem NS-Erbe nicht im Reinen ist“.

Zu einem anderen Schluss ist unterdessen der Theaterhistoriker Günther Rühle gekommen. In einem Interview mit der Welt sprach er sich für eine Neubewertung des Dramatikers Hans Rehberg aus: Rehberg sei der einzige Dramatiker der NS-Zeit, der diskutierbar sei und „möglicherweise einer Revision bedarf“. Zwar gelte das Stück „Die Wölfe“ als Durchhaltedrama, doch sei es in Wahrheit „ein Stück voller Terror über die großen Verluste im U-Boot- Krieg“. Er habe das Rehberg-Drama vor zwei Jahren gelesen und sei überrascht gewesen, „wie viel Depression da drinsteckt“. Nach Rühles Angaben ist eine Aufführung des Stückes in Berlin sogar von Propagandaminister Joseph Goebbels verboten worden.

Was soll man davon halten? Vor allem dies: dass, bitte schön, die Reflexe auf allen Seiten verschwinden – der Alarmismus der Warner genauso wie die muntere Tabubruchprosa der Macher. Denn dass es der Inszenierung darum zu tun ist, eine distanzierte Perspektive auf einen kompromittierten Autor zu entwickeln, das will man nach der Lektüre des Spielplaninfos nicht mehr glauben.