: Das angeblich schlechteste Bier der Welt
Ausgerechnet das US-amerikanische „Budweiser“ wird offizielles Bier der Fußball-WM 2006 in Deutschland. Kann das wahr sein? Gibt es keine Alternativen? – Wir haben ein paar auf ihre WM-Tauglichkeit getestet
VON JÖRG SCHALLENBERG
Es ist ja so, dass es ein paar Dinge gibt, die man an Deutschland lieben muss. Schwarzbrot zum Beispiel. Die Radwege. Und natürlich das Bier. Ja, wir können uns glücklich schätzen, im Mutterland des Bieres zu leben!
Genau genommen hat das deutsche Reinheitsgebot (seit 1516) sogar eine wesentlich höhere integrative Wirkung auf unser Volk als die Verfassung (seit 1949) oder das Wunder von Bern (seit 1954) – womit wir auch schon beim Thema sind. Denn im Moment taugt der deutsche Fußball ja nur bedingt für Identitätsstiftung usw. Das ist traurig, wird sich aber selbstverständlich bald wieder ändern: Bis zur Fußball-Weltmeisterschaft 2006 im schönen Deutschland haben Jürgen Klinsmann und Oliver Bierhoff bestimmt den DFB übernommen sowie Mayer-Vorfelder, Beckenbauer und Matthäus Hausverbot erteilt, Deisler und Lauth werden ausschließlich Zauberfußball spielen, Miroslav Klose einen Kopfballtorpedo nach dem anderen versenken. Herrliche Zeiten werden das! Und wir werden sie vor der Großleinwand im Biergarten genießen – bei einem schönen, kühlen „Bud“! „Bud“? Diese Ami-Plörre? Ohne jedes Reinheitsgebot? Kann das wahr sein?
Zusammengebrauter Zorn
Es ist wahr. Schon beim Eröffnungsspiel der WM 2006 in München, also der Hauptstadt des deutschen Fußballs und natürlich Welthauptstadt des Bieres, wird es kein bayerisches Bier im Stadion geben – und wohl auch nicht bei allen anderen Großveranstaltungen im Zusammenhang mit der WM. Denn der US-Konzern Anheuser-Busch ist einer der Hauptsponsoren der WM – und hat mit der Zahlung von 40 Millionen Dollar zugleich ein Quasi-Monopol auf den Ausschank seiner Biere gekauft. Die bekannteste Marke ist das „Bud“ (das man keinesfalls mit dem tschechischen „Budweiser“ verwechseln sollte).
Ob solchen Ungemachs, das an den tiefsten Wurzeln des bierseligen Volksempfindens rührt, hat sich in den letzten Wochen und Monaten ein gewaltiger Zorn zusammengebraut – den die Bild-Zeitung jüngst noch einmal vermittels Leser-Befragung anstachelte. Die 61-jährige Rentnerin Renate Pfadenhauer etwa fand, das „Bud“ schmecke „wie Blubber-Wasser. Fast, als wäre es mit Wasser gestreckt. Das trinke ich nicht.“ Und der 31-jährige Elektro-Installateur Jörg Russt bewies, wie grausam Volkes Stimme urteilen kann: „Mit diesem Bier kann man seiner Oma den Rücken einschmieren. Dann lieber gar nichts.“
Während man noch über die Sache mit der Oma sinniert, fällt der Blick auf die Süddeutsche Zeitung. Wie es sich gehört, wird dort nicht der Mob von der Straße hofiert, sondern ein Experte befragt. Der „Bier-Professor“ Eberhard Geiger, Inhaber eines „Lehrstuhls für Technologie der Brauerei“ in Weihenstephan, referiert über „den Unterschied zwischen bayerischen und amerikanischen Hopfennoten“. Im Kern analysiert Geiger, dass „Bud“ unter schwerster Missachtung des Reinheitsgebotes mit Reis gebraut wird, womit der Hefe wichtige Nährstoffe fehlen, was bierkraftzersetzend auf Geschmack und Schaumbildung wirkt. Vorsichtiges Fazit des Professors: „Eine sehr schlanke Aromanote“ – ganz im Gegensatz zum Münchner Hellen mit seinem „feurigen Glanz“, der „prickelnden Rezenz“ und der „leicht frischhefigen Note im Geruch“.
Bier? In Bayern Chefsache
Auch die Politik – insbesondere die bayerische – hat die Brisanz des Bierstreits erkannt. Die Grünen forderten Ministerpräsident Edmund Stoiber in einer offiziellen Anfrage im Landtag auf, die Bier-Frage zur Chefsache zu machen. Begründung: Es geht um bayerisches Kulturgut. Ausnahmsweise an der Spitze der Protestbewegung steht die bayerische SPD. Deren Vorsitzender Franz Maget tobt: „Wir haben eine Fürsorgepflicht und dürfen die Besucher der WM-Stätten nicht vergiften.“ Denn er sieht die Gesundheit der Fans gefährdet, wenn nur „Bud“, also „das schlechteste Bier der Welt“, ausgeschenkt werde.
Falls Maget Recht hat, dann dürfte sich in den nächsten Monaten von bayerischem Boden aus eine Protestwelle durchs Land wälzen, die jede Hartz IV-Demo in den Schatten stellt. Hört zu, ihr da draußen: Verspottet unseren Fußball! Lacht über unsere Wirtschaft! Ignoriert unsere Popmusik! Aber wagt euch nicht an unser unübertreffliches, einzigartiges, reisfreies Bier!
Warum bloß fallen einem jetzt die Engländer ein? Schließlich sind die Engländer ja nicht gerade für ihr tolles Bier bekannt. Dafür galten sie jahrzehntelang in ihrer Kick-and-Rush-Spielweise (dem Reinheitsgebot des Fußballs) als unschlagbar. Bei Weltmeisterschaften traten sie erst gar nicht an. Erst 1950 ließen sie sich dazu herab – und spielten gegen ein Land, das vom Fußball so viel verstand wie England vom Baseball. Die USA gewannen 1:0.