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Archiv-Artikel

Abu Alas Kabinett vereidigt

In der palästinensischen Notstandsregierung sitzen vor allem Mitstreiter von Arafat. Der syrische Präsident Assad beschuldigt Israel der gefährlichen Provokation. An der Grenze zum Libanon kommt es zu den heftigsten Gefechten seit drei Jahren

aus Jerusalem SUSANNE KNAUL

Bis auf eine Ausnahme sitzen in der palästinensischen Notstandsregierung von insgesamt acht Ministern nur Mitglieder von Präsident Jassir Arafats Fatah-Partei. Premierminister Achmad Kurai (Abu Ala) ließ das neue, weitestgehend aus alten Gesichtern formierte Führungsteam gestern vereidigen. Heute soll das Kabinett dem Parlament offiziell vorgestellt werden. Ein Vertrauensvotum durch die Abgeordneten ist für die Übergangsregierung, die zunächst nur vier Wochen amtiert, nicht nötig.

Unter der Leitung des ehemaligen Parlamentspräsidenten Abu Ala treffen sich im Notstandskabinett die bisherigen Minister Salam Fayyad (Finanzen), Nabil Shaath (Außenpolitik) und Naim Abu Hummus (Erziehung) wieder. Abu Ala und Fayyad genießen in Israel den Ruf eher moderater und bisweilen durchaus Arafat-kritischer Politiker. Fayyad ist der einzige überparteiliche Minister. Er wurde bereits im Oktober 2002, letztlich auf Druck aus den USA, ins Finanzministerium berufen, um dort Reformen einzuleiten. Bereits im Folgejahr legte er dem Parlament einen ersten Haushaltsplan vor.

Das Innenministerium und damit die Kontrolle der Sicherheitsdienste wird künftig Nasser Jussuf, ehemals Kommandant der Nationalen Sicherheitskräfte, unterliegen. Jussuf ist langjähriger Weggenosse Arafats in der PLO und gilt ihm gegenüber als unbedingt loyal. Ähnlich wie Saeb Erikat, ehemals Delegationsleiter bei den Friedensgesprächen und Exminister für lokale Wahlangelegenheiten. Wie er bleiben die restlichen drei Kabinettsmitglieder vorläufig ohne Aufgabenbereich.

Die israelische Armee verstärkte angesichts der heftigsten Gefechte seit dem einseitigen Truppenabzug vor gut drei Jahren das Militär an der nördlichen Grenze. Die südlibanesischen Hisbollah-Kämpfer beantworteten den israelischen Luftangriff vom Sontnag gegen ein palästinensisches Lager in Syrien mit Artilleriebeschuss auf den Norden Israels. Am Montag war ein Soldat von einem libanesischen Scharfschützen getötet worden. Israel hatte das nur wenige Kilometer von Damaskus entfernt liegende Palästinenserlager in Reaktion auf ein Attentat am Wochenende in Haifa bombardiert, bei dem 19 israelische Zivilisten ums Leben gekommen waren.

Syriens Präsident Bashar al-Assad beschuldigte die israelische Regierung des Versuchs, „Syrien und den Nahen Osten in einen regionalen Konflikt zu ziehen“. Umgekehrt wiederholte Israels Premierminister Ariel Scharon seine Drohung, den Terror „überall und mit allen Mitteln“ zu bekämpfen, allerdings „ohne eine Chance für den Frieden zu verpassen“.

Mit großer Sorge beobachtet die Familie des vor drei Jahren entführten israelischen Geschäftsmannes Elchanan Tennenboim die Eskalation an der Nordgrenze. Die Hisbollah hatte sich grundsätzlich bereit gezeigt, Tennenboim im Gegenzug für in Israel inhaftierte Libanesen und Palästinenser auszutauschen, allen voran die beiden Hisbollah-Führer Mustafa Dirani und Scheich Abdel Karim Obeid. Der Handel, der auch mit bundesdeutscher Vermittlung möglich wurde, schien bereits so gut wie abgeschlossen. Eine deutsche Delegation, die Tennenboim besuchen durfte, berichtete über schreckliche Folterungen des Geschäftsmanns und über seinen sich verschlechternden Gesundheitszustand. Die Familie Tennenboims lehnte auch die vermutlich in Kürze bevorstehende Veröffentlichung eines Berichts über die Umstände der Entführung ab. Den Gerüchten zufolge war Tennenboim in unlautere Geschäfte verwickelt gewesen.