Hartz sät weiter Zwietracht

Kölner Montagsdemo wird abgebrochen. Teilnehmer sind uneins, ob sie mit Befürwortern von 1-Euro-Jobs reden wollen. Sozialexpertin warnt Wohlfahrtsverbände vor Ausweitung der Billigarbeit

Von Susanne Gannott

Die von der Bundesregierung geplanten 1-Euro-Jobs sind ein Irrweg, der reguläre Arbeitsplätze vernichtet und die Rückkehr in finstere Zeiten der Zwangsarbeit bedeutet. Diese Einschätzung eines zentralen Teils der Hartz-Gesetze war auf der sechsten Kölner Montagsdemo Konsens. Ein offener Konflikt unter den Demonstranten entbrannte dagegen an der Frage, wie man mit den Wohlfahrtsverbänden umgehen soll, die angekündigt haben, solche Jobs schaffen zu wollen. Soll man mit ihnen diskutieren und versuchen, sie zu Bündnispartnern gegen Hartz zu gewinnen oder stehen sie als „Profiteure“ unrettbar auf der Seite des „Gegners“ und können niedergebrüllt werden?

Ein besonders lautstarker Teil der Demonstranten entschied sich für Letzteres. Doch bevor sich die Montagsproteste gegen 21 Uhr in der Nähe des Rudolfplatzes nach tumultartigen Szenen auflösten, wurden bei der Auftaktkundgebung auf dem Roncalliplatz immerhin noch ein paar inhaltliche Punkte angesprochen. So erklärte die Essener Sozial- und Arbeitsrechtsprofessorin Helga Spindler vor den etwa 600 Demoteilnehmern, dass 1-Euro-Jobs schon aus der bisherigen Sozialhilfepraxis bekannt seien. Die bislang existierenden Billigjobs seien deshalb umstritten, weil es für sie „keine leistungsgerechte Entlohnung, keine Perspektive auf ein existenzsicherndes Arbeitsverhältnis, Weiterbeschäftigung und soziale Absicherung“ gebe – und sie zudem reguläre Arbeitsplätze vernichteten.

Billigjobs als Jobfresser

Dass solche Jobs jetzt trotzdem massiv ausgeweitet werden sollen, habe daher auch nichts damit zu tun, dass man Arbeitslosen „helfen“ wolle: „Da sollen Arbeiten geleistet werden, die bitter nötig sind, für die die Gesellschaft aber nichts mehr zahlen will.“ Auch den Wohlfahrtsverbänden müsse auffallen, dass für Pflege, Kindergärten, Jugendhilfe und andere soziale Arbeiten immer weniger Geld vom Staat bereit gestellt würde und die Anbieter solcher Dienste entsprechend Personal entlassen müssten. „Je mehr gespart wird, desto mehr zusätzliche Stellen für 1-Euro-Jobs sind plötzlich vorhanden.“ Spindler forderte die Verbände auf, die Ausweitung der 1-Euro-Jobs zu unterlassen. Sie sollten lediglich „freiwilliges ehrenamtliches Engagement von Arbeitslosen“ nutzen.

„Zwangsarbeit“

Nach den Auftaktreden zog die Demo zur Zentrale der Arbeiterwohlfahrt (AWO) in der Rubensstraße, nahe dem Rudolfplatz. Dort spitzte sich die Kritik an den Wohlfahrtsverbänden zu. Da der Lastwagen mit der Lautsprecheranlage der Demo-Organisatoren nicht rechtzeitig ankam, ergriffen einige Redner spontan per Megaphon das Wort. Einer von ihnen bezeichnete die sozialen Organisationen als „willige Unterstützer der Zwangsarbeit“, die vor allem an den staatlichen Geldern für 1-Euro-Jobs interessiert seien. Er kritisierte, die mangelnde Qualifizierung bei solchen Arbeiten bringe die Menschen in einen Teufelskreis: „Einmal Zwangsarbeiter, immer Zwangsarbeiter!“

Aufgeheizte Stimmung

Nach solchen Worten sichtlich erbost, war die Mehrheit der Demonstrierenden nicht mehr bereit, die Vertreter der Kölner Wohlfahrtsverbände anzuhören, die der Geschäftsführer des Kölner Arbeitslosenzentrums KALZ, Thomas Münch, auf die Bühne bat, als der Lautsprecherwagen endlich eingetroffen war. Franz Irsfeld, Vorsitzender der AWO-Köln und langjähriges SPD-Ratsmitglied, kam in seiner Rede nicht weit. Seine Erklärung, dass man versuche, „mit den Möglichkeiten von Hartz IV etwas zu bieten für den Abbau von Arbeitslosigkeit“, ging in lautstarken „Lüge, Lüge“-Rufen unter. Auch Thomas Münch konnte die wütende Menge nicht mehr beruhigen und beendete die Demonstration vorzeitig. In so einer aufgeheizten Stimmung könne man nicht mit potenziellen Bündnispartnern reden, erklärte er anschließend der taz.

Eigene Spielregeln

Mit dieser Maßnahme machte sich Münch nicht nur Freunde. Auch nachdem die meisten Demoteilnehmer gegangen waren, standen ein paar Dutzend Menschen zusammen und forderten das bislang jeden Montag praktizierte „offene Mikrophon“. Pikanterweise hatten die Demonstranten gerade darüber zuvor am Roncalliplatz auch abgestimmt. Dabei hatte die Mehrheit beschlossen, dass jeder am Mikrophon reden dürfe – außer Parteien und Bündnissen. Das Gefühl der Enttäuschung, mit dem daher einige Demoteilnehmer im einsetzenden Nieselregen zurückblieben, fasste eine Frau so zusammen: „Wir müssen für uns klar bekommen, dass wir unsere eigenen demokratischen Spielregeln einhalten.“